Das Team der Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf stellt hier regelmäßig lesenswerte Bücher vor. Diesmal: „Allein“ von Daniel Schreiber und „Infinity Alchemist“ von Kacen Callender. Viel Freude beim Lesen!


Allein
Daniel Schreiber
Hanser Berlin | ISBN 978-3-44-626792-3
In seinem Werk „Allein“ beschreibt Daniel Schreiber aus seiner Perspektive, wie es sich anfühlt, sich als schwuler Mann mit dem Gedanken auseinander zu setzen, sich langfristig auf ein Leben ohne Partnerschaft einzurichten beziehungsweise einrichten zu müssen.
„Allein“ ist während der Corona-Pandemie entstanden und steht daher noch stark unter dem Eindruck von Schreibers Erfahrungen als Autor in dieser Zeit, die nicht nur von fehlendem Liebesglück, sondern auch von einer wirtschaftlich schwierigen Lage geprägt waren. Nun kann man sich natürlich fragen, ob man die Corona-Pandemie nicht besser endlich hinter sich lassen und folglich schon gar kein Buch lesen sollte, das noch einmal die Erinnerungen an diese Zeit wachruft. Das wäre zwar ein nachvollziehbarer Gedanke, jedoch in diesem Fall viel zu schade, Schreibers Werk aus diesem Grund wieder zurück ins Regal zu stellen, denn fast auf jeder Seite begegnet man klugen Aussagen und Gedanken, die man sich am liebsten anstreichen oder auch gleich ausschneiden und einrahmen würde.
Schreiber nimmt uns mit auf seine essayistische Gedankenreise, die zu Beginn sprachlich erst einmal etwas abgehoben daherkommen mag – verliert Schreiber sich doch in ausschweifenden, floralen Beschreibungen und zitiert auch vielfach andere Autor*innen. Oder, anders gesagt, Schreiber liest selbst offenbar viel, bewegt sich sicher in der literarischen Welt und lässt dies auch nur zu gern durchblicken. Sei es ihm gegönnt. Dennoch ist „Allein“ keine bloße Aneinanderreihung kluger Gedanken oder Zitate der von ihm verehrten Schriftsteller-Kolleg*innen. Vielmehr lädt Schreiber zu ganz persönlichen Einblicken in seine Welt als schwuler Mann ein, dessen letzte Beziehung nunmehr viele Jahre zurückliegt und der für sich realisiert, dass der konventionelle Lebensentwurf, dem die Gesellschaft einvernehmlich zu folgen scheint, für ihn nicht passt.
Schreiber zeigt auf, wie das Fehlen einer romantischen Beziehung, die einem überall als erstrebenswertes Idealbild unter die Nase gerieben wird, sich als persönliches Scheitern anfühlt. Was für ein Glück, wenn man dann, wie Schreiber, über ein enges Netzwerk an Freund*innen verfügt. Meint man jedenfalls. Denn Schreibers Werk ist bei Weitem kein reines Loblied auf Freundschaften – „die einzigen Beziehungen, die gänzlich auf Freiwilligkeit beruhen, auf dem gegenseitigen Einverständnis zweier Menschen, sich zu unterschiedlichen Graden auszutauschen, Zeit miteinander zu verbringen und füreinander da zu sein“ (S. 18/19). Schreiber betrachtet sehr differenziert, was Freundschaften, die für queere Menschen einen oftmals sehr hohen Stellenwert haben und vielfach auch Familienersatz sind, leisten können, wo sie aber auch an ihre Grenzen stoßen. Das stark beschädigte Selbstwertgefühl und die Sehnsucht nach einer Partnerschaft bleiben am Ende doch und lassen die Freundschaften zeitweise mehr als eine Art „Ersatzglück“ (S. 44) erscheinen.
Schreiber stellt sich schonungslos ehrlich und mit beeindruckender Verletzlichkeit zentralen Fragen: „Und wie geht man damit um, wenn irgendwann die meisten Freundinnen und Freunde Partnerinnen oder Partner finden und man das Gefühl hat, auch mit dem Alleinsein allein zu sein? Wie lernt man, mit anderen Worten, mit seinem Alleinsein zu leben, ohne dass es weh tut, ohne sich anzulügen?“ (S. 22)
Und gerade während der Pandemie muss Schreiber am eigenen Leib erfahren, wie sich die Menschen in seinem Freundes- und Bekanntenkreis in ihre Kernfamilie und oder Paarbeziehung zurückziehen. Da werde einem bewusst, wie labil Freundschaften auch sein könnten, dienen sie den meisten doch eher der Überbrückung einer Lebensphase, die wie automatisch auf das eigentliche Konzept Familie und Partnerschaft zusteuere, so Schreiber. Und während sich alle in die Zweisamkeit zurückziehen, müssen für Schreiber dann eben andere Ersatzbeschäftigungen herhalten – wie Gärtnern, Wandern und Stricken.
Wir begleiten Schreiber auch auf der Suche nach dem vermeintlichen Grund seines Alleinseins und der damit verbundenen Einsamkeit – liegt es daran, dass er sich als queere Person nun einmal außerhalb der gesellschaftlichen Systeme und Kategorien bewegt, hat er die Einsamkeit damit selbst verschuldet und durch die eigene Andersartigkeit (internalisierte Homophobie ich hör dir trapsen) hervorgerufen oder hat er diesen Zustand am Ende vielleicht sogar aktiv gesucht?
Zaghaft scheint Schreiber sich gegen Ende des Buches aus seinem Tief herauszuschreiben. Dennoch schwankt er immer wieder zwischen Hoffnungslosigkeit, radikaler Akzeptanz und Zuversicht. „Allein“ ist ein höchst ambivalentes Buch, das zum Nachdenken anregt und mit einer überraschenden Botschaft endet. Man kann es gut in ein bis zwei Tagen verschlingen. Und vielleicht sind Schreibers Gedanken gerade jetzt im Frühling, wenn man die verliebten Paare um sich herum besonders deutlich wahrnimmt, besonders tröstlich, da man realisiert, dass man mit dem Alleinsein eben doch nicht allein ist.
Vorgestellt von Anne-Katrin Weber

Infinity Alchemist
Kacen Callender
Karibu | ISBN 978-3-96129-429-9
Ashen Woods, Ash genannt, möchte nichts lieber als Alchemie am berühmten Lancaster-College zu studieren. Leider schafft er die Aufnahmeprüfung nicht und kann sich daher nicht zum Alchemisten ausbilden lassen. Nur mit einem Abschluss am Lancaster-College bekommt er eine Lizenz, die es ihm ermöglicht straffrei Alchemie zu praktizieren und sich bei einem der acht herrschenden Häuser von Neu-England um Aufnahme zu bewerben. Also beschließt Ash sich selbst zum Alchemisten auszubilden. Um an den Lehrstoff zu kommen, nimmt er eine Stelle als Gehilfe des Hausmeisters an. So bekommt er freien Zugang zu allen Räumen des Colleges und zur Bibliothek.
Nur erwischen lassen sollte man sich nicht bei Übungen zur Beherrschung der Alchemie. Denn unlizenzierte Alchemisten wandern entweder lebenslänglich ins Gefängnis oder ihnen droht der Tod durch Hinrichtung am Strang. Leider wird Ash bei seinen Übungen von Ramsay Thorne beobachtet. Statt Ash zu melden, schlägt Ramsay vor gemeinsam das Buch der Quelle zu suchen. Ein Artefakt, das gottgleiche Macht verspricht und irgendwo versteckt wurde.
Doch auch andere Alchemisten sind auf der Suche nach dem Buch der Quelle und sind bereit praktisch über Leichen zu gehen, um das Buch zu finden. So haben Ramsays eigene Eltern vor zehn Jahren eine ganze Stadt zerstört, um mit der geballten Lebensenergie der getöteten Menschen das Buch zu finden. Der Versuch schlug fehl und die beiden wurden umgehend hingerichtet. Während der gemeinsamen Suche lernen sich Ramsay und Ash immer besser kennen. Nach einem dramatischen Zwischenfall am College landet Ash schließlich bei Ramsays Ex-Freund Callum.
Der Roman wird innerhalb der Fantasy als Dark Academia umschrieben. Das Buch, wie auch die Handlung wandeln zwischen Gegensätzen. Auf der einen Seite konnte ich es nicht weglegen und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht mit Ash, Ramsay und Callum. Die Handlung ist voller Action und Wendungen, so dass keine Langeweile aufkommt. Einige von Ashs Taten sind stark von seinen Gefühlen abhängig und teilweise etwas widersprüchlich. Die Beziehung von Ash und Ramsay wird durch das Erscheinen von Callum komplett durcheinandergewirbelt.
Auf der anderen Seite ist der Roman, obwohl leicht geschrieben, etwas schwierig zu lesen. Der Verlag hat eindeutig beim Lektorat gespart. So werden mehrfach Namen falsch geschrieben oder sogar vertauscht, was meinen Lesefluss unterbrach, von der mangelhaften Rechtschreibung ganz zu schweigen.
Trotzdem lässt sich das Buch gut lesen und wer einen unkomplizierten Dark-Academia-Roman erwartet, wird nicht enttäuscht. Der Liebes-Twist hat es dafür in sich und ist eine Klasse für sich.
Vorgestellt von Markus Gickeleiter
Die Bücher können bei der LUSBD Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf kostenlos ausgeliehen werden.
Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf
im Bürgerhaus Angermund
Graf-Engelbert-Str. 9
40489 Düsseldorf
Geöffnet jeden Sonntag von 15.00 bis 16.30 Uhr
Anmeldung erforderlich
DQ – Düsseldorf Queer dankt dem Team der LUSBD für die nette Zusammenarbeit.