Initiative "Grundgesetz für alle" erhöht Druck auf die Regierung

Nachdem die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag eine Abstimmung zur Ergänzung des Grundgesetz-Artikels 3 um "sexuelle Identität" in der heutigen Sitzung des Rechtsausschusses abgesetzt hat, soll nun der Druck auf die Politik erhöht werden.

Bild: Grundgesetz für alle!
Bild: Initiative "Grundgesetz für alle"

Doris Achelwilm, Sprecherin für Gleichstellung, Medienpolitik und Queerpolitik der Bundestagsfraktion die LINKE, Ulle Schauws, Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik der grünen Bundestagsfraktion, und Dr. Jens Brandenburg, Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion, erklären zur von der Koalition abgesetzten Abstimmung zur Art. 3 GG Ergänzung um "sexuelle Identität" im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz:


"Wer montags mit der Regenbogenflagge wirbt, sollte der Community nicht mittwochs schon wieder in den Rücken fallen. Seit fast zwei Jahren liegt der Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken zur Beratung vor. Er wurde ausführlich debattiert und in der Ausschussanhörung von allen Sachverständigen unterstützt. In der Zeit hätte man sich längst eine Meinung bilden können. Die von der Koalition im Ausschuss durchgedrückte Absetzung ist eine große Enttäuschung. Es ist zudem ein sehr unwürdiges parlamentarisches Verfahren. Union und SPD dürfen jetzt nicht auf Zeit spielen. Die scheinheiligen Geschäftsordnungstricks wie bei der Ehe für alle dürfen sich nicht wiederholen. Noch in dieser Wahlperiode muss die Koalition Farbe bekennen und sich einer Abstimmung stellen. Sonntagsreden gab es genug. Es ist höchste Zeit, den Schutz der sexuellen Identität endlich unmissverständlich in Artikel 3 des Grundgesetzes festzuschreiben."


Die Kampagne “Grundgesetz für Alle” will nun den Druck auf die Regierungsparteien erhöhen. Bis heute haben bereits über 80.000 Menschen mit ihrer Unterschrift gefordert, dass der Schutz von queeren Menschen im deutschen Grundgesetz verankert wird. Jetzt sollen die Bundestagsabgeordneten persönlich per E-Mail erreicht werden, um zu fordern, dass die Grundgesetzänderung noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird.


Als das deutsche Grundgesetz 1949 in Kraft trat, wurde im Artikel 3 das Diskriminierungsverbot gegen die in der Nazidiktatur besonders verfolgten Gruppen verankert. Doch Menschen vielfältiger sexueller und geschlechtlicher Identitäten finden darin bis heute keine Erwähnung. So wurde es möglich, dass noch lang nach dem Ende des Nationalsozialismus zehntausende schwule und bisexuelle Männer unter dem Paragrafen 175 kriminalisiert wurden, lesbische Frauen bis in die 1980er Jahre fürchten mussten, in einem Scheidungsprozess ihre Kinder zu verlieren, mehr als 10.000 Menschen durch das immer noch existierende “Transsexuellengesetz” bis 2011 sich zwangssterilisieren lassen mussten, unwissenschaftliche “Homoheilung” bei Erwachsenen noch immer legal ist und bis heute Zwei-Mütter-Familien eine “Stiefkindadoption” machen müssen, um als Eltern ihrer eigenen Kinder anerkannt zu werden.


Auf der Kampagnen-Website wurde jetzt eine einfache Möglichkeit geschaffen, mit der Teilnehmer*innen die Forderung nach einem Grundgesetz für alle direkt an die Bundestagsabgeordneten aus ihrem jeweiligen Wahlkreis schicken können. „Hilf mit und fordere die Entscheidungsträger*innen im Bundestag dazu auf, endlich aktiv zu werden“, so der Kampagnenaufruf. Zur Website der Kampagne “Grundgesetz für Alle” geht’s hier: campaigns.allout.org/de/briefe_grundgesetz/

Text: red./OE | Quelle: Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen | Kampagne "Grundgesetz für Alle"