HIV-Prävention mit der „Pille davor“

Prof. Jürgen Rockstroh, einer der führenden deutschen HIV-Mediziner, hat gestern bei seinem Vortrag bei der Aidshilfe Düsseldorf für eine Prä-Expositionsprophylaxe, kurz PrEP, geworben. Er verschwieg aber auch die Probleme nicht.

Bild: Prof. Jürgen Rockstroh

Prof. Jürgen Rockstroh am 3. November 2016 bei der Aidshilfe Düsseldorf

Jürgen Rockstroh ist Professor für Innere Medizin und Leiter der HIV-Ambulanz am Universitätsklinikum Bonn. 2005 erhielt er den nationalen AIDS-Forschungspreis. Heute ist er u.a. Vorsitzender des Nationalen AIDS-Beirates, der die Bundesregierung in Fragen zu HIV und AIDS berät. In seinem Referat am 3. November 2016 bei der Aidshilfe Düsseldorf erläuterte der HIV-Experte das viel diskutierte Thema „Schutz durch Therapie“ und zeigte die Chancen einer Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) auf.

Bei PrEP geht es um die Einnahme von antiretroviralen Wirkstoffen durch HIV-negative Menschen vor Risikokontakten. Wer Sex mit häufig wechselnden Partnern hat oder aber in einer Beziehung mit einem HIV-Positiven lebt, für den bietet die „Pille davor“ einen größtmöglichen Schutz vor einer Ansteckung mit HIV. Konkret geht es um Truvada, ein Medikament, das seit einigen Jahren zur Behandlung von HIV-positiven Patienten verwendet wird. Bereits eine Tablette pro Tag lässt die Zahl der HI-Viren unter die Nachweisgrenze sinken. Medizinische Studien haben eindeutig gezeigt, dass damit die Weiterverbreitung des HI-Virus nahezu unmöglich ist. Die Wahrscheinlichkeit einer Nicht-Infektion liegt bei 96 Prozent.

Wer weiß, dass er einen Risikokontakt haben wird, kann sich mit zwei Tabletten vorher und zwei Tabletten danach wirksam gegen HIV schützen. Wem das zu kalkuliert erscheint, der kann Truvada auch regelmäßig einnehmen, also einmal täglich. Nebenwirkungen des Medikaments sind selten, in der Regel wird die Pille gut vertragen. Dennoch muss die PrEP gut überwacht werden, alle drei Monate geht es zum HIV-Schwerpunkt-Arzt zur Blutuntersuchung. Nachdem Truvada als PrEP-Medikament auch in Deutschland zugelassen wurde, ist dieses Prozedere denkbar. Doch die größte Hürde ist derzeit noch der Preis, Truvada kostet in Deutschland rund 800 Euro für 30 Tabletten. Generika kommen erst in gut einem Jahr auf dem Markt. Findige Nutzer beschaffen sich daher das Medikament zunehmend im Ausland, wo der Preis bei rund 50 Euro pro Monatspackung liegt. Das ist zwar illegal, aber günstiger.

Wie sich die PrEP zukünftig auswirken wird, ist heute noch unklar. Die Fakten sprechen aber für sich. Mit PrEP können Risikogruppen wirksam vor einer HIV-Infektion geschützt werden. Und die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu senken, sei ein erster Schritt hin zu einer AIDS-freien Generation, so Prof. Rockstroh. Dennoch bleibt weiterhin auch der Schutz mit Kondomen das Gebot der Stunde, denn sexuell übertragbare Krankheiten sind derzeit auf dem Vormarsch. Syphilis und Hepatitis C verzeichnen gerade dann einen sprunghaften Anstieg, wenn Sexpartner aufgrund von PrEP auf Kondome verzichten. Und besonders problematisch wird es, wenn Drogen mit im Spiel sind. Wenn die Wahrnehmung beeinflusst ist, wird schon mal die Einnahme von Medikamenten vernachlässigt, was den Schutzfaktor deutlich verkleinert.

Weitere Infos zum Thema PrEP gibt’s bei der Deutschen AIDS-Hilfe:
www.aidshilfe.de/faq-prep
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Text und Foto: Oliver Erdmann