Bewegender Einblick in die Schwulen-Verfolgung in Düsseldorf

Zum Auftakt der Initiative für ein Denkmal zur Homosexuellen-Verfolgung in Düsseldorf hat der Historiker Marcus Velke in seinem gestrigen Vortrag in der Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt deutlich gemacht: „Ein Denkmal muss sein!“

Bild: Vortrag zur Schwulen-Verfolgung in Düsseldorf

Das Forum Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Trans*-Gruppen hatte am 1. Februar 2017 in den Vortragssaal der städtischen Mahn- und Gedenkstätte auf der Mühlenstraße eingeladen. Mit rund 35 Interessierten war die Veranstaltung mit dem Titel „Befreiung, ohne befreit worden zu sein – Zur Kontinuität der Verfolgung und Diskriminierung von homosexuellen Männern in Deutschland nach 1945“ gut besucht. Nach einer Begrüßung durch Christian Naumann vom LST*-Forum gab Marcus Velke, Historiker an der Universität Bonn und Vorstandsmitglied im Centrum Schwule Geschichte Köln, einen Überblick über die Geschichte der Homosexuellen-Verfolgung in Deutschland.

 

Bild: Marcus Velke
Historiker Marcus Velke

Er erinnerte daran, dass erstmals im Jahre 1985 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einer Gedenkrede auch die Homosexuellen als Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus erwähnte. Schon vor der Gründung des Deutschen Reiches 1871 habe es im Preußischen Strafrecht einen „Unzucht-Paragrafen“ gegeben, der dann als § 175 in die deutsche Justizgeschichte eingegangen sei. Sexualforscher Magnus Hirschfeld, der 1897 in Berlin die erste Homosexuellenorganisation in Deutschland gründete, setzte sich für die Streichung des Paragrafen ein. Mit der Machtübernahme der Nazis folgten dann die Zerschlagung der schwul-lesbischen Subkultur und die Verschärfung des „Schwulenparagrafen“.

Ab 1935 wurden „Delikte“ zu „Verbrechen“. „Schon ein lüsterner Blick reichte aus für eine Bestrafung“, sagt Marcus Welke. Den Nazis ging es um das Ausmerzen der Homosexualität. Nur durch „freiwillige Entmannung“ konnten sich Schwule der Strafe entziehen. Dies geschah etwa im Gefängniskrankenhaus in Düsseldorf-Derendorf, damals ein regelrechtes regionales Kastrationszentrum. Vermutlich bis zu 15.000 homosexuelle Männer saßen bis 1945 in Konzentrationslagern der Nazis, Tausende überlebten die Haft nicht. Doch nach dem Krieg setzte sich die Verfolgung fort, insbesondere in der britischen Besatzungszone, zu der auch Düsseldorf gehörte. Schwule blieben in Haft oder wurden nach ihrer Freilassung erneut inhaftiert.

 

In der Adenauerzeit wurde der Paragraf 175 zementiert, beharrlich wurden selbst Schwulenzeitschriften als „jugendgefährdende Schriften“ verboten. In Düsseldorf wurde 1950 gegen eine Kioskbesitzerin vorgegangen, die Exemplare des Magazins „Die Freundschaft“ („ein unverkennbares Homosexuellen-Blatt“, so die damalige Staatsanwaltschaft) verkauft hatte. Auch wenn es 1969 in der BRD zur Entschärfung des Paragrafen 175 kam, setzte sich die Diskriminierung von Schwulen auch in Düsseldorf weiter fort. Als es 1980 zu einem sexuellen Übergriff auf ein Mädchen im Hofgarten kam, forderte eine Bürgerinitiative erst einmal ein hartes Vorgehen der Stadt gegen den „Schwulenstrich im Umfeld der öffentlichen Toilettenanlage“. Der damalige FDP-Bürgermeister Bruno Recht sagte, der Hofgarten dürfe kein Lustgarten für Abartige und Kriminelle werden, man müsse „die grüne Lunge vom Dreck befreien“.

Historiker Marcus Velke erzählte zum Schluss seines einstündigen Vortrags von dem Schicksal eines Mannes, der 1946 wegen homosexueller Handlungen am Düsseldorfer Hauptbahnhof aufgegriffen wurde und als „Prototyp des Homosexuellen“ einhergehend mit einer medizinischen Diagnose des Schwachsinns bis zu seinem Tod in einer psychiatrischen Anstalt verbringen musste. „Stricher wurden in Düsseldorf härter bestraft, als in anderen Städten“, weiß Welke, der sich deutlich dafür ausspricht, dass gerade in der Landeshauptstadt bislang ein Erinnerungsort eingerichtet werden müsse. „Ein Denkmal muss sein“, so sein Resümee. Das Gedenken müsse auch jene mit einschließen, die nicht durch Urteile in Erscheinung getreten seien. „Es gibt nicht nur die sichtbaren Opfer“, so Marcus Welke, die Dunkelziffer sei groß.

 

Bild: Vortrag in der Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte

Derzeit laufen Gespräche des Forums Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Trans*-Gruppen mit der Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt und der Stadtspitze zur Realisierung eines zentralen Gedenkortes in Form eines Denkmals zur Ausgrenzung und Verfolgung von Lesben, Schwulen und Trans* in Düsseldorf.

Das Selbstverständnispapier für ein Denkmal gibt es unter: www.forumLSTduesseldorf.de

Bitte unterstützen Sie die Initiative:

Zweck: „Denkmal Düsseldorf“
Empfänger: ARCUS-Stiftung
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE80 3702 0500 0001 2012 01
BIC: BFSWDE33XXX

 

Text und Fotos: Oliver Erdmann