Blaue Flecken inklusive

Ein ganz besonderes Programm des Balletts am Rhein hat am vergangenen Samstag im Theater Duisburg Premiere gefeiert. Vor ausverkauftem Haus wurden zwei Uraufführungen der beiden Ballettdirektoren und ein Tanzhighlight von William Forsythe gezeigt.

Bild: b.38 - One Flat Thing, reproduced
b38 | One Flat Thing, reproduced | Ensemble // Foto: Gert Weigelt

Der Abend wird mit der Uraufführung einer neuen Choreografie von Remus Şucheană eröffnet. Der Ballettdirektor der Düsseldorfer Kompanie nähert sich mit seinem Stück „Sinfonie Nr. 1“ zur gleichnamigen Musik von Sergej Rachmaninow deutlich dem Handlungsballett an. Er kreiert zu der beeindruckenden Sinfonie, die bei der Premiere 1897 in St. Petersburg von der Kritik so nachhaltig verrissen wurde, dass sie noch heute kaum bekannt ist, eine ebenso beeindruckende Kriegsgeschichte. Şucheană thematisiert die Grausamkeit des Krieges, zeigt Soldaten und Söldner, die an die Front ziehen, Feldarbeiter, die zum Zwangsdienst herangezogen werden, und Frauen, denen nichts bleibt als die Uniformen ihrer gefallenen Männer. Er scheut auch nicht vor einer Vergewaltigungsszene zurück. Am Ende versammeln sich alle Tänzerinnen und Tänzer vor der riesigen Mauer, die das Bühnenbild von Darko Petrovic bestimmt, und gehen gemeinsam unter. Ein beeindruckendes Schlussbild.

 

Bild: b38 | Sinfonie Nr. 1
b38 | Sinfonie Nr. 1 | Tomoaki Nakanome, Filipe Frederico, Aleksandra Liashenko, Ensemble // Foto: Gert Weigelt
Bild: b38 | Sinfonie Nr. 1
b38 | Sinfonie Nr. 1 | Ensemble // Foto: Gert Weigelt

Im Mittelteil des kurzweiligen Ballettabends zeigt das Ballett am Rhein eine Choreografie von William Forsythe. „One Flat Thing, reproduced“ ist eines der Hauptwerke des US-Amerikaners, der schon während seiner Tänzerkarriere bei John Cranko am Stuttgarter Ballett mit der choreografischen Arbeit begann und sich während seiner Zeit als Ballettdirektor des Frankfurter Balletts von 1984 bis 2004 als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Choreografen etabliert hat. Bei dem Stück geht es buchstäblich drunter und drüber. Die 14 Tänzerinnen und Tänzer wirbeln zwischen 20 Tischen umher, die in vier Reihen aufgebaut sind. Zur elektronischen Klangkulisse von Thom Willems bewegen sie sich rasant zwischen den Tischreihen, fegen darüber hinweg und unter ihnen durch. Das Chaos ist komplett durchchoreografiert, aber hinterlässt trotzdem bei den Akteur_innen so einige blaue Flecke, wie man bei Instagram eindrucksvoll sehen konnte. Für das wilde Spektakel gibt es vom Premierenpublikum am 9. Februar 2019 im Theater Duisburg frenetischen Beifall.

 

Bild: b38 | One Flat Thing, reproduced
b38 | One Flat Thing, reproduced | Ensemble // Foto: Gert Weigelt
Bild: b38 | One Flat Thing, reproduced
b38 | One Flat Thing, reproduced | Vincent Hoffman, Daniel Vizcayo, Cassie Martín, Alexandre Simões // Foto: Gert Weigelt

Den Abschluss des Ballettprogramms b.38 bildet eine neue Choreografie von Martin Schläpfer, dem künstlerischen Direktor des Düsseldorfer Ensembles. Zur Sinfonie Nr. 7 von Sergej Prokofjew sind wundervolle Balletttänze zu sehen, viele klassische Elemente mit zeitgenössischem Anstrich und deutlich Schläpfer‘scher Handschrift. Für die Uraufführung der „Ulenspiegeltänze“ gibt es viel Applaus, sicher auch für das Bühnenbild und die Kostüme von Keso Dekker, der hinter einem Vorhang aus Perlenschnüren ein Video zeigt. Mal ist eine Eule zu sehen, die im Mondlicht davonfliegt, mal ein flackernder Kronleuchter, dann wieder Eulenaugen, die das Publikum anblinzeln. Dem Vorbild Till Eulenspiegels folgend, narrt auch Martin Schläpfer die Zuschauer_innen – mit seinen Figuren, die ihnen nicht selten den Po entgegenstrecken, aber auch mit dem per Video eingespielten Bild des Wiener Opernsaals, wohin sich der Ballettchef zur Spielzeit 2020/2021 verabschieden wird.

 

Bild: b38 | Ulenspiegeltänze
b38 | Ulenspiegeltänze | Daniel Vizcayo, Feline van Dijken // Foto: Gert Weigelt
Bild: b38 | Ulenspiegeltänze
b38 | Ulenspiegeltänze | Asuka Morgenstern, Feline van Dijken, Yuko Kato // Foto: Gert Weigelt

Großartig ist wieder einmal die Leistung der Tanzkompanie, ebenso wie die musikalische Arbeit der Duisburger Philharmoniker unter der Leitung von Wen-Pin Chien. Das knapp zweieinhalbstündige Ballettprogramm b.38 im Theater Duisburg ist noch zu sehen am Sa 23.02. (19.30 Uhr), So 17.03. (15.00 Uhr), Mi 20.03. (19.30 Uhr), So 28.04. (18.30 Uhr), Sa 18.05. (19.30 Uhr) und Fr 21.06. (19.30 Uhr).


Weitere Infos: operamrhein.de

 

Text: Oliver Erdmann