Interview mit Dr. Stefan Mauss

Am 12. März informierten sich rund 25 Interessierte in den Räumen der AIDS-Hilfe Düsseldorf bei einer Vortragsveranstaltung über Neuigkeiten zur HIV-Therapie. Dr. med. Stefan Mauss, HIV-Schwerpunktarzt in Düsseldorf, berichtete über die Ergebnisse der weltweit wichtigsten AIDS-Konferenz "CROI" (Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections) in Seattle (USA), die vom 23. bis 26. Februar 2015 stattfand.

Dr. med. Stefan Mauss

Dr. med. Stefan Mauss | Foto: Oliver Erdmann

Viel Neues oder Spektakuläres gab es jedoch nicht zu berichten. An einer Heilung werde allerdings kaum noch geforscht, da die derzeitigen Therapien für die Patienten eine ausreichende Hilfe böten. HIV-positive Patienten leben mit ihrer Therapie heute genauso lang wie HIV-Negative. Die Medikamente würden weiter verbessert, wenngleich auch hier der große Wurf ausblieb, so Dr. Mauss. Im Fokus der Konferenz stand in diesem Jahr das Thema PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe). Mit Medikamenten können besonders schwule Männer mit erhöhtem HIV-Risiko wirksam vor einer Infektion geschützt werden. Die Zulassung solcher Medikamente zu Präventionszwecken steht in Deutschland allerdings noch aus.

Herr Dr. Mauss, wenn Sie das Gros Ihrer Patienten betrachten, leben die meisten gut mit der Therapie?
Ja. Es ist eigentlich sehr ruhig geworden im HIV-Bereich, weil viele Menschen ihre Therapie weitgehend problemlos nehmen und die Erkrankungshäufigkeit durch HIV dramatisch zurückgegangen ist. Inzwischen treten eher Probleme in den Vordergrund, wie das Altern der Patienten oder sexuell übertragbare Erkrankungen, die zusätzlich auftreten, so dass sich die Situation der HIV-Positiven deutlich verändert hat.

Welche gesundheitlichen Probleme trotz funktionierender Therapie machen den Patienten am meisten zu schaffen?
Das was bei mir in der Praxis im Vordergrund steht, sind derzeit vielmehr weitere sexuell übertragbare Erkrankungen wie Hepatitis C, Syphilis, Clamydien usw., die nichts mit der HIV-Therapie zu tun haben, sondern eher damit, dass die Patienten offensichtlich gut mit der HIV-Therapie leben, sonst würden diese Erkrankungen ja gar nicht auftreten. Das zweite, was eine Rolle spielt, ist das Alter der Patienten. Da kann es Wechselwirkungen mit der Therapie geben, die vielleicht bestimmte Alterungsprozesse schneller fördert, als man das möchte. Das sind z.B. Herz-Kreislauf-Probleme.

Was sollten HIV-Patienten besonders beachten? Stichwort „Gesund Leben“.
Ich würde es inzwischen so formulieren, dass ein HIV-Patient primär normal leben sollte. Das heißt, was für einen HIV-Negativen nicht gesund ist, wie zum Beispiel Rauchen oder Übergewicht usw., gilt auch für einen HIV-Positiven. Früher gab es mal die Tendenz, sich einen Vorratsspeck anzulegen, weil man gedacht hat, irgendwann erwischt es mich, dann werde ich krank und dann brauche ich den. Das ist natürlich heute überhaupt nicht mehr der Fall.
Es gibt aber auch keine übertriebenen Diätvorschriften oder so etwas. Eine besondere Ernährung für HIV-Positive ist aus meiner Sicht überhaupt nicht erforderlich, sondern man sollte im Prinzip mit seinem Körper umgehen wie auch ein HIV-Negativer. Also regelmäßig Sport machen, aber jetzt nicht irgendwelchen speziellen Diäten oder Programme anhängen.

Viele HIV-Infektionen bleiben offenbar lange unentdeckt. Wann sollte man sicherheitshalber einen Test machen?
Das ist keine ganz so einfache Frage. Gesundheitliche Symptome sind ein Grund zum Test zu gehen. Das sind aber keine Frühwarnzeichen. Wenn man Leistungsverlust feststellt oder unklare Infektionen usw., das sollte einen zum Test auffordern. Zum anderen gilt natürlich auch heute noch, wenn man ein Risikoverhalten hat und wenn man zu einer der hauptbetroffenen Gruppen gehört, ist das ein Grund, regelmäßig einen Test zu machen. Um eine Diagnose nicht zu verpassen, die inzwischen gut behandelbar ist.

Es gibt immer noch Diskrimierung von HIV-Patienten im Gesundheitswesen. Raten Sie Ihren Patienten stets zu Offenheit? Anders gefragt, wann sollte ein HIV-Patient über seine Infektion informieren?
Es gibt sowohl als Arbeitnehmer im Gesundheitswesen eine Diskriminierung als auch als Patient bei bestimmten Eingriffen. Gerade Zahnärzte sind oft noch problematisch. Generell sehe ich es so, dass Patienten ihren Arbeitgeber nur zurückhaltend informieren sollten, da diese Diagnose ja nicht zurückholbar ist. Was ärztliche Kollegen angeht, versuchen wir das Problem dadurch zu lösen, dass wir für die Patienten schon Kontakte aussuchen, die mit der HIV-Diagnose kein Problem haben, so dass da kein Versteckspiel notwendig ist.

Wie sehen Sie persönlich die Perspektiven für eine Heilung bei einer HIV-Infektion?
Zum einen ist es so, dass eine Heilung ja für das Langzeitüberleben eines HIV-Positiven zum Glück gar nicht erforderlich ist. Heilung ist mehr der Wunsch von einer Rückkehr zu einem Leben in der Normalität. Das kann man sehr gut verstehen, ist auch medizinisch erstrebenswert, weil es bedeutet, dass eine potenziell immer noch lebensbedrohliche Infektion ausheilt und eine Dauertherapie überflüssig wird. Ich selber glaube, dass längerfristig diese Möglichkeit bestehen wird, wenn bestimmte Methoden der Gentechnik noch verfeinert werden. Das eigentliche Problem ist aber dass eine Manipulierung von Stammzellen potenziell Blutkrebs auslösen kann, was dann natürlich eine erhebliche Problematik darstellt vor dem Hintergrund, dass HIV-Positive derzeit eine sehr lange Lebenserwartung haben.

Das Interview führte Oliver Erdmann.