Zeitgenössischer Tanz beim Düsseldorfer Ballettabend b.30

Martin Schläpfers Ballettprogramm b.30 feierte gestern mit gleich zwei Uraufführungen Premiere. Am besten gefiel jedoch Marco Goeckes Choreografie „Lonesome George“.

Bild: "Concerto grosso Nr. 1"

Remus Şucheană: Concerto grosso Nr. 1 – Ann-Kathrin Adam, Sonia Dvorak, Yoav Bosidan, Brice Asnar, Philip Handschin, Norma Magalhães | FOTO © Gert Weigelt

Die Ballettabende im Opernhaus Düsseldorf sind immer wieder ein Ereignis. Drei Stücke wählt Chefchoreograph Martin Schläpfer für sein Ensemble aus. Die Unterschiedlichkeit der gezeigten Choreografien garantieren stets ein abwechslungsreiches Balletterlebnis. So auch bei der Premiere der Programms b.30 am 14. Januar 2017.

 

Bild: "Concerto grosso Nr. 1"
Remus Şucheană: Concerto grosso Nr. 1 – Rashaen Arts, Yuko Kato | FOTO © Gert Weigelt

Im ersten Teil gibt es die Uraufführung von „Concerto grosso Nr. 1“ von Remus Şucheană zu erleben. In der aktuellen Spielzeit 2016/2017 übernahm der gebürtige Rumäne an der Seite von Martin Schläpfer die Direktion der Düsseldorfer Compagnie. Zum ersten Mal präsentiert sich  Şucheană nun als Choreograph. In seinem Stück beschäftigt er sich mit dem Wechselverhältnis des Einzelnen zur Gruppe. Zur etwas schwierigen, zeitgenössischen Orchestermusik von Alfred Schnittke tanzten das Ensemble und die Solistinnen Ann-Kathrin Adam, Yuko Kato und Marlúcia do Amaral in mehreren Bildern auf bekannt hohem Niveau, wenngleich an einigen Stellen etwas mehr Synchronizität wünschenswert gewesen wäre. Das Bühnenbild von Darko Petrovic ist schlicht, aber sehr effektvoll. Viel Applaus gab es für Remus Şucheanăs Erstlingswerk.

 

Bild: "Lonesome George"
Marco Goecke: Lonesome George – Nathalie Guth, Alban Pinet | FOTO © Gert Weigelt

Um es vorweg zu nehmen: der Höhepunkt des Abends war definitiv die Choreografie „Lonesome George“ von Marco Goecke. Zurecht wurde nach der Uraufführung im Programm b.24 im Mai 2015 im Theater Duisburg von einer der „faszinierendsten und berührendsten Choreografien unserer Zeit“ gesprochen. Der Fokus liegt deutlich auf den Armen und Oberkörpern der elf Tänzer_innen, deren Gesichter im diffusen Licht auf ansonsten wolkenverhangener Bühne fast unsichtbar bleiben. Mit zuckenden Bewegungen und flatternden Armen und tierischen Lauten sind die Tänzer_innen auf einer Art Suche. In „Lonesome George“ geht es um die Spannung zwischen Einsamkeit und der Suche nach dem Anderen. Der seltsame Titel ist übrigens der Name einer Riesenschildkröte auf Galápagos gewesen; als George hundertjährig im Jahr 2012 verstarb, dachte man er sei das letzte Exemplar seiner Art gewesen. Marco Goecke begann die Arbeit an seinem für das Ballett am Rhein konzipierten Werk im selben Jahr. Als überaus passende Musik wählte der 1972 in Wuppertal geborene Choreograph das Streichquartett Nr. 8 von Dmitri Schostakowitsch. Die Premierengäste waren hörbar aus dem Häuschen.

 

Bild: "Wounded Angel"
Natalia Horecna: Wounded Angel – Yuko Kato, Marcos Menha, Sonia Dvorak, Virginia Segarra Vidal, So-Yeon Kim | FOTO © Gert Weigelt

Zu guter Letzt kommt mit „Wounded Angel“ von Natalia Horecna ein weiteres, speziell für das Ballett am Rhein geschriebenen Stückes zur Uraufführung. Horecna wurde 1976 in slowakischen Bratislava geboren und zählt seit 2012 zu den interessantesten Künstlerinnen der europäischen Tanzszene. In „Wounded Angel“ begibt sie sich in die seelischen Abgründe des Menschen, deckt aber auch die verborgenen Schönheiten seines Inneren auf. Zentrale Figur ist „The Love“, eindrucksvoll und exzellent getanzt von Marcos Menha. Er ringt mit seinem „Herzen“ und seinem „Ego“ und den jeweils vier Elementen, die mit sehr plakativen Kostümen dargestellt werden. Auch das Bühnenbild steckt voller symbolischer Andeutungen – und das Duo Probosci sorgt mit Geigen- und Gitarrenklängen auf der Bühne für die musikalische Umrahmung. Ein spielerischer, aber ebenfalls gelungener Beitrag zu einem unterhaltsamen Ballettabend.

 

Bild: "Wounded Angel"
Natalia Horecna: Wounded Angel – Marcos Menha, Yuko Kato | FOTO © Gert Weigelt
Bild: "Lonesome George"
Marco Goecke: Lonesome George – Ensemble | FOTO © Gert Weigelt

Die Düsseldorfer Symphoniker begleiten das Programm b.30 unter der Leitung des jungen franko-kanadischen Dirigenten Jean-Michaël Lavoie. Auch dies war eine gelungene Premiere.

Weitere Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf: Sa 21.01. 19.30 Uhr | Mi 25.01. 19.30 Uhr | Sa 28.01. 19.30 Uhr | Di 31.01. 19.30 Uhr | Do 02.02. 19.30 Uhr | So 05.02. 18.30 Uhr | Do 16.02. 19.30 Uhr | Sa 18.02. 19.30 Uhr | So 19.02. 15.00 Uhr

 

Text: Oliver Erdmann