Es gab Diskriminierung von Lesben und staatliche Repression

Auf Einladung des Forums Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Trans*-Gruppen hat die Historikerin Dr. Kirsten Plötz in ihrem gestrigen Vortrag die Repressionen gegen lesbische Liebe in der frühen Bundesrepublik beleuchtet.

Bild: Gabriele Bischoff und Dr. Kirsten Plötz

Historikerin Dr. Kirsten Plötz (rechts) und Gabriele Bischoff vom Forum Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Trans*-Gruppen

Bild: Vortrag zu Repressionen gegen lesbische Liebe
Die zweite Auftaktveranstaltung der Initiative für ein Denkmal zur Homosexuellen-Verfolgung in Düsseldorf stieß auf gute Resonanz.

Knapp 30 Interessierte hatten sich am 3. Februar 2017 im Deutsch-osteuropäischen Forum auf der Bismarckstraße eingefunden. Unterstützt wurde die Veranstaltung durch das Quartiersprojekt der Diakonie-Stadtmitte. Nachdem sich eine erste Vortragsveranstaltung am 1. Februar 2017 im Rahmen der Initiative für ein Denkmal zur Homosexuellen-Verfolgung in Düsseldorf mit der Diskriminierung von Schwulen beschäftigt hatte, ging es nun um die Situation der Lesben. Dr. Kirsten Plötz, freiberufliche Historikerin aus Hannover, war maßgeblich an der Studie zur Verfolgung und Diskriminierung von Homosexualität in Rheinland-Pfalz beteiligt, die Ende Januar 2017 veröffentlicht wurde. In ihrem Vortrag machte sie deutlich: „Es gab Diskriminierung lesbischer Liebe – und es gab staatliche Repression!“

 

Der Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs der BRD bedrohte Frauen zwar nicht mit Strafe, doch es gab immer wieder Bestrebungen, ihn auch auf lesbische Homosexualität auszudehnen. In einer Publikation des katholischen Volkswartbunds im Jahr 1951 forderte der Bonner Amtsgerichtsrat Richard Gatzweiler: „Auch die lesbische Liebe ist strafwürdig; deren Straflosigkeit ist inkonsequent.“ Später nimmt der Autor seine Forderung zwar wieder zurück, jedoch mit der Begründung, dass lesbische Liebe nicht die gleiche Bedeutung habe wie gleichgeschlechtliche Praktiken bei Männern. 1957 befand ein Gericht sogar, dass bei Frauen eine innige Freundschaft nur schwer von lesbischer Liebe abzugrenzen und eine Bestrafung deshalb kaum möglich sei.

Dennoch: Es gab Frauen, die nach § 175 StGB verurteilt wurden. Allerdings gibt es hierzu bislang keine stringente Forschung. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Unrechtsurteile hat sich bislang nur mit Fällen der männlichen Homosexualität beschäftigt. „Wir wissen es nicht“, sagte Kirsten Plötz zur Frage, wie viele Lesben vom Paragrafen 175 direkt betroffen gewesen seien. Doch habe die Existenz des „Schwulen-Paragrafen“ auch bei lesbischen Frauen ihre Wirkung gehabt. Generell gab es ein gesellschaftliches Klima des Schweigen. Lesbische Liebe fand einfach nicht statt, selbst für viele Frauen war ihre lesbische Identität nicht greifbar. Die sogenannte Freundinnenkultur sei ein Identitätsangebot für lesbische Frauen gewesen, so Plötz. Für die meisten Frauen gab es keine Alternative zur Ehe, der normative Druck war enorm.

 

Bild: Dr. Kirsten Plötz bei ihrem Vortrag
Dr. Kirsten Plötz beim Vortrag zu "Repressionen gegen lesbische Liebe in der frühen Bundesrepublik"

In der Adenauer-Ära war es der damalige Bundesfamilienminister Franz-Josef Wuermeling, der 1961 das Ehescheidungsrecht massiv verschärfte; eine Scheidung gegen den Willen des Partners war nicht mehr möglich, Frauen verloren nach erfolgreicher Scheidung alle Unterhaltsrechte und mussten den Kindesentzug fürchten. Auch zahlreiche Urteile, bei denen die Gerichte den Ehemann selbst bei massivsten körperlichen Gewalttaten gegenüber ihrer Frau mit milden Strafen davonkommen ließen, weil sie der Ehefrau wegen einer lesbischen Beziehung eine Mitschuld gaben, sorgten für eine Einschüchterung der Frauen. Hinzu kam ein öffentliches Verschweigen von lesbischer Liebe durch Zensur von Filmen (z.B. „Das Schweigen“, schwed. Film von 1964) und Büchern (z.B. „Frauenkaserne“ von Tereska Torres, 1960).

Das Fazit von Dr. Kirsten Plötz ist klar und deutlich: „Weibliche Homosexualität wurde diskriminiert – die Bedingungen für lesbische Beziehungen waren ungünstig.“ Doch die Erforschung von Diskriminierungen habe erst begonnen, so die Historikerin, und sie fordert: „Weitere Forschung über den Umgang der Justiz mit lesbischer Liebe wäre wünschenswert.“ Und im Fazit ihrer Studie für das Land Rheinland-Pfalz sagt sie deutlich: „Neben der Rehabilitation und Entschädigung der […] Opfer des § 175 StGB sollte ein öffentliches Gedenken an die Diskriminierung lesbischer [Frauen] treten.“

Derzeit laufen Gespräche des Forums Düsseldorfer Lesben-, Schwulen- und Trans*-Gruppen mit der Mahn- und Gedenkstätte der Landeshauptstadt und der Stadtspitze zur Realisierung eines zentralen Gedenkortes in Form eines Denkmals zur Ausgrenzung und Verfolgung von Lesben, Schwulen und Trans* in Düsseldorf.

Das Selbstverständnispapier für ein Denkmal gibt es unter: www.forumLSTduesseldorf.de

Bitte unterstützen Sie die Initiative:

Zweck: „Denkmal Düsseldorf“
Empfänger: ARCUS-Stiftung
Bank für Sozialwirtschaft
IBAN: DE80 3702 0500 0001 2012 01
BIC: BFSWDE33XXX

 

Text und Fotos: Oliver Erdmann