Getanzte Dystopie

Mit „Coppélia X Machina“ von Hélène Blackburn startet das Ballett am Rhein ins Jahr 2023 – und entführt die Zuschauer*innen in eine vielleicht gar nicht mehr allzu ferne Zukunft. Das Cyber-Ballett der kanadischen Choreografin ist ein Highlight der aktuellen Spielzeit.

Bild: Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Niklas Jendrics, Ensemble Ballett am Rhein
Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Niklas Jendrics, Ensemble Ballett am Rhein // Foto: Ingo Schäfer

Die Franko-Kanadierin Hélène Blackburn hat sich eines alten Stoffs angenommen. Das Ballett „Coppélia oder Das Mädchen mit den Glasaugen“ von Arthur Saint-Léon zur Musik von Léo Delibes wurde 1870 an der Pariser Oper uraufgeführt und war ein triumphaler Erfolg. Bis heute gehört Coppélia zum Standardrepertoire des klassischen Balletts. Die Handlung basiert auf E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ (erschienen im Jahr 1816). In beiden Stücken geht es um eine mechanische Puppe, die von ihrem Schöpfer zu Leben erweckt werden soll. In Saint-Léons Werk verliebt sich Franz in Coppélia, die von dem Wissenschaftler Coppélius geschaffen wurde.


So ist es auch in Hélène Blackburns Neuinterpretation „Coppélia X Machina“, die am 21. Januar 2023 im Düsseldorfer Opernhaus Premiere feierte. In ihrem Maschinenmenschen-Traum entführt sie das Publikum in eine Cyber-Welt, in der Roboter und Menschen nur noch schwer voneinander zu unterscheiden sind. Die Cyborgs sind ständig damit beschäftigt, ihre Fähigkeiten zu erweitern und zu optimieren. Ein menschlicher Besucher dieser Szenerie ist besonders von der Roboterfrau Coppélia fasziniert. Zwischen beiden entwickelt sich eine Beziehung, in der die Grenze zwischen Mensch und Maschine verschwimmt.

 

Bild: Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Ensemble Ballett am Rhein
Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Ensemble Ballett am Rhein // Foto: Ingo Schäfer

Hélène Blackburn gelingen zusammen mit dem Bühnen- und Kostümbildner Paul Zoller und dem Lichtdesigner Emmanuel Landry großartige und fesselnde Bilder. Die Tänzer*innen des Düsseldorfer Ballett-Ensemble sorgen dafür, dass man als Zuschauer*in in diese Vision einer beängstigenden und vielleicht gar nicht mehr allzu fernen Zukunft eintaucht. Unermüdlich wird die Fortentwicklung der Maschinenmenschen tänzerisch sowie mit Mimik und Geräuschen dargestellt. Besonders beeindruckend sind die Darstellung einer „Gummipuppe“ ohne jeglichen Muskeltonus, der Spitzenschuhtanz zweier männlicher Tänzer und die Cyborgs mit ihren mechanischen Gliedmaßen.


Den musikalischen Hintergrund für diese zuweilen gruselige und zugleich faszinierende Dystopie liefert die serbisch-kanadische Komponistin Ana Sokolović mit einer nicht sehr einfachen, zeitgenössischen Komposition, die die Düsseldorfer Symphoniker unter der musikalischen Leitung von Patrick Francis Chestnut mit Bravour meistern.

Bild: Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Miquel Martínez Pedro
Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Miquel Martínez Pedro // Foto: Ingo Schäfer

In der zweiten Vorstellung am 25. Januar übernahmen Futaba Ishizaki (Coppélia), Vinicius Vieira (Mensch) und Damián Torio („Der Macher“ Coppélius) die Hauptrollen. Als „Spitzen“-Tänzer dürfen Yoav Bosidan und Kauan Soares nicht unerwähnt bleiben, und als „Stelzen“-Tänzer stechen Miquel Martínez Pedro und Edvin Somai heraus. Das Ensemble erhält zum Schluss langanhaltenden Applaus.


Ein sehr sehenswerter Ballettabend!

 

Bild: Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Vinícius Vieira, Ensemble Ballett am Rhein
Hélène Blackburn „Coppélia X Machina“: Vinícius Vieira, Ensemble Ballett am Rhein // Foto: Ingo Schäfer

Weitere Aufführungen im Opernhaus Düsseldorf:

Sa 28.01., Mi 01.02., Fr 03.02., Sa 11.02. (jeweils 19.30 bis 21.15 Uhr) und

So 12.02. (18.30 bis 20.15 Uhr)


Infos: www.operamrhein.de

 

Text: Oliver Erdmann