Sehenswertes Tanzschauspiel

Das Ballett am Rhein bringt mit „Krabat“ – einem Ballett von Demis Volpi nach dem bekannten Buch von Otfried Preußler – ein abendfüllendes und reich ausgestattetes Tanztheaterstück auf die Bühne des Düsseldorfer Opernhauses. Sehenswert für Jung und Alt.

Bild: Damián Torío © Ingo Schäfer
Demis Volpi „Krabat“: Damián Torío (Der Meister), Ensemble Ballett am Rhein (Gesellen) // Foto: © Ingo Schäfer

Mit der Choreografie zum Jugendbuch Krabat von Otfried Preußler, das 2008 bereits fürs Kino verfilmt wurde, schuf Demis Volpi vor fast zehn Jahren sein erstes abendfüllendes Handlungsballett. Uraufgeführt am 22. März 2013 im Opernhaus Stuttgart, wurde Krabat ein großer Erfolg, und Volpi avancierte zum Hauschoreografen beim Stuttgarter Ballett. Jetzt feierte Krabat am 10. November 2022 in Düsseldorf Premiere, wo der Deutsch-Argentinier seit der Spielzeit 2020/21 Ballettdirektor und Chefchoreograf ist.


Und auch hier dürfte das Stück erfolgreich werden. Das Premierenpublikum war begeistert, und auch bei der zweiten Vorstellung am 19. November spendeten die Zuschauer*innen viel Applaus. Trotz der Länge – mit drei Stunden inklusive zwei Pausen – ist es ein kurzweiliger Abend. Überzeugend sind vor allem das großartige Bühnenbild und die Kostüme (von Katharina Schlipf) sowie die wunderbar atmosphärische Musik (Pēteris Vasks, Philip Glass, Krzysztof Penderecki), gespielt von den Düsseldorfer Symphonikern (Leitung: Christoph Stöcker) und einem Streichquartett.

 

Bild: Miquel Martínez Pedro © Ingo Schäfer
Demis Volpi „Krabat“: Miquel Martínez Pedro (Krabat) // Foto: © Ingo Schäfer

Die Geschichte von Otfried Preußler, die im Jahr 1971 als Jugendbuch erschienen ist und seither in über dreißig Sprachen übersetzt wurde, basiert auf der sorbischen Krabat-Sage, in der ein Waisenjunge Lehrling eines Zaubermeisters wird und sich gegen diesen behaupten muss. Magie, Freiheit und die Kraft der Liebe sind die Schlüsselthemen des Buchs – und somit auch von Demis Volpis Ballettfassung. Die drei Akte schildern drei Jahre im Leben der zwölf Lehrjungen, die ihrem Müllermeister dienen und von ihm in der Kunst der schwarzen Magie unterrichtet werden.


Jedes Jahr fordert die Kraft des Meisters ihren Tribut. Mit dem Auftauchen des Herrn Gevatter – der bei Demis Volpi von einer Frau in glühend-rotem Paillettenkleid dargestellt wird und so eher an eine verführerische Dragqueen erinnert – muss einer der Gesellen sterben. Anschließend wird ein neuer Junge zur Mühle gerufen. Im ersten Jahr ist dies der junge Krabat. Er liefert sich seinem Meister aus und lernt von ihm – wie seine Mitgesellen zuvor – das Fliegen. In Gestalt von Raben drehen sie während des magischen Unterrichts ihre Runden. Als Krabat eines Tages im Wald das Mädchen Kantorka kennenlernt, wird der Teufelskreis schließlich durchbrochen. Ihre Liebe ist es, die ihn am Ende aus den Fängen des Zauberers befreien wird. Und nicht nur ihn.

 

Bild: Ensemble Ballett am Rhein, Lara Delfino © Ingo Schäfer
Demis Volpi „Krabat“: Ensemble Ballett am Rhein (Gesellen), Lara Delfino (Herr Gevatter) // Foto: © Ingo Schäfer

Demis Volpis Krabat ist ein sehenswertes Tanzschauspiel. Wobei der Tanz hier fast zur Nebensache gerät. Vielmehr wird hier nahezu wortlos ein düsteres Theaterstück aufgeführt. Die männlichen Tänzer schauspielern eher, als dass sie tanzen. Dafür haben die weiblichen Tänzerinnen während ihrer Szenen fast durchgängig auf Spitze zu tanzen. Hin und wieder werden Paartänze eingestreut. Großartig an der Inszenierung sind vor allem das bombastische Bühnenbild und die Ausstattung – von dem schon erwähnten leuchtenden Glitzerkleid bis hin zu den fantastischen Rabenkostümen mit ihren Schwingen – sowie der ein oder andere gelungene Regiestreich.


Schön ist die Idee, die starken Rollen mit Frauen zu besetzen. Neben dem weiblichen Gevatter (Clara Nougué-Cazenave) ist auch die Rolle des Pumphutt – eines ehemaligen Müllergesellen und mittlerweile mächtiger Zauberer – mit einer Tänzerin (Elisabeth Vincenti) besetzt. Im magischen Kampf mit Pumphutt – der ein filmreifer Ritt durch die Kampfkulturen der Welt ist – unterliegt der Meister, was jedoch nichts an seiner Macht über die Jungen ändert.

 

Bild: Emila Peredo Aguirre und Miquel Martínez Pedro © Ingo Schäfer
Demis Volpi „Krabat“: Emila Peredo Aguirre (Die Kantorka), Miquel Martínez Pedro (Krabat) // Foto: © Ingo Schäfer

In der Rolle des Krabat war an diesem Abend der Brasilianer Vinícius Vieira zu erleben, der erst seit Kurzem von der Tanzkompanie von São Paulo nach Europa zum Ballett am Rhein gewechselt ist. Der Tänzer Nelson López Garlo aus Uruguay spielte den Meister, und die Kantorka wurde von der Japanerin Futaba Ishizaki getanzt; beide sind seit der Spielzeit 2020/21 im Ballett am Rhein engagiert.


Wer noch Vorstellungen besuchen möchte, muss sich ranhalten. Die Aufführung am 11. Dezember ist bereits ausverkauft, für andere Termine sind nur noch Restklarten erhältlich.


Weitere Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf:
Fr 02.12.2022, So 11.12.2022, Fr 16.12.2022, So 18.12.2022, Mo 19.12.2022, So 25.12.2022, Mi 28.12.2022, Fr 30.12.2022, Sa 14.01.2023


Infos: www.operamrhein.de

 

Text: Oliver Erdmann