Step by Step

Auch in diesem Jahr hat das Ballett am Rhein den jungen Talenten der Ballettcompagnie mit dem Format Step by Step eine Bühne geboten. Tänzer*innen des Ensembles konnten ihre eigenen Choreografien präsentieren.

Bild: Tänzerin Norma Magalhães
Yoav Bosidan: Guns and Roses. Tänzerin Norma Magalhães. // Foto: Daniel Senzek

Es war ein vielfältiger und ungemein inspirierender Ballettabend. Bei der Premiere am 8. Juni 2024 und am folgenden Tag kamen im Balletthaus in Bilk sechs Stücke zur Aufführung, die allesamt der Kreativität der jungen Tänzer*innen des Düsseldorf-Duisburger Ensembles entsprungen sind. Die unterschiedlichen Choreografien boten eine sehenswerte Bandbreite – von klassisch bis zeitgenössisch, von provokativ bis sensibel. Allesamt Kreationen, die einen Vergleich mit Werken etablierter Künstler*innen nicht scheuen müssen.

 

Bild: Tänzer*innen in beigefarbenen Röcken
Kauan Soares: Cour d’amours. Mit Marco Nestola und Edvin Somai (vorne) sowie Camilla Agraso, Elisabeth Vincenti und Ako Sago. // Foto: Daniel Senzek

Kauan Soares stammt aus São Paulo (Brasilien). Im Alter von 14 Jahren begann er seine Tanzausbildung, studierte ab 2010 beim Miami City Ballet und wechselte 2016 zum Ballet Nacional del Sodre (Montevideo, Uruguay). Seit der Spielzeit 2020/21 ist Kauan Soares Compagniemitglied des Ballett am Rhein, wo er seither u.a. in Demis Volpis Choreografien Hauptrollen tanzte („Geschlossene Spiele“, „Der Nussknacker“ und „Krabat“). Seine Choreografie „Cour d’amours“ ist ein an die griechische Mythologie angelehntes Stück mit klassischer Tanzsprache, wunderbaren Kostümen und einer schlichten Bühne. Elisabeth Vincenti, Ako Sago, Camilla Agraso, Edvin Somai und Marco Nestola tanzen zu einem Stück aus der „Carmina Burana“ von Carl Orff. Ein wunderbarer Auftakt.

 

Bild: Lara Delfino und Orazio Di Bella
Jack Bruce: Scenes by the Sea. Mit Lara Delfino und Orazio Di Bella. // Foto: Daniel Senzek

Jack Bruce erhielt seine Tanzausbildung in seinem Heimatland England an der Royal Ballet School und schloss 2022 an der Roehampton University mit einem Bachelor of Arts ab. Er trat u.a. mit dem Royal Ballet in Kenneth Macmillans „Romeo und Julia“ oder in Liam Scarletts „Frankenstein“ am Royal Opera House auf. Seine eigene Choreografie „End Of The Road“ wurde 2019 in der Sommerpräsentation der Royal Ballet School uraufgeführt und mit dem Kenneth MacMillan Emerging Choreographer Award ausgezeichnet. In Düsseldorf tanzt Jack Bruce seit der Spielzeit 2022/23. Sein Stück „Scenes By The Sea“ wird von Lara Delfino und Orazio Di Bella tänzerisch umgesetzt und ist von Filmen wie „Angel Heart“ von Alan Parker inspiriert. Dargestellt werden einzelne, kurz hintereinander geschnittene Szenen rundum einen Tag am Meer.

 

Bild: Miquel Martínez Pedro und Daniele Bonelli im Ballettsaal
Daniele Bonelli: Alice. Mit Miquel Martínez Pedro und Daniele Bonelli. // Foto: Daniel Senzek

Daniele Bonelli wurde in Pietrasanta, einer Kleinstadt in der nördlichen Toscana (Italien), geboren und erhielt seine Ausbildung an der renommierten Ballettschule der Mailänder Scala, wo er seinen Abschluss mit Auszeichnung bestand. Im Rahmen seiner Ausbildung gastierte er weltweit an unterschiedlichen Theatern. Seit der Spielzeit 2020/21 ist Daniele Bonelli Compagniemitglied des Ballett am Rhein, ab der Spielzeit 2024/25 wird er als Solist am Hamburg Ballett zu sehen sein. Seine Choreografie „Alice“ beschäftigt sich mit der Geschichte von Alice im Wunderland. Bonelli tanzt die Hauptrolle selbst – in rotem Kleid. An seiner Seite – in weiß - Miquel Martínez Pedro, der erneut mit seiner tänzerischen Leistung und schauspielerischem Talent begeistert. Daniele Bonelli nutzt gekonnt die räumlichen Gegebenheiten des Studios aus: die großen Wandspiegel, die Wanduhr und die Saaltür spielen wichtige Rollen in seinem Stück. „Alice“ ist herausragend und bleibt gewiss noch lange in Erinnerung. Zurecht gab es hierfür den meisten Applaus.

 

Bild: Norma Magalhães und Gustavo Carvalho
Yoav Bosidan: Guns and Roses. Mit Norma Magalhães und Gustavo Carvalho. // Foto: Daniel Senzek

Yoav Bosidan wurde in Israel geboren und an der Thallama-Yallin School of the Arts in klassischem Tanz und Graham-Technik ausgebildet. Nach seinem Abschluss mit Auszeichnung studierte er am Koninklijk Conservatorium Den Haag und tanzte in dieser Zeit auch in Vorstellungen des Het Nationale Ballet Amsterdam. Er erhielt Engagements in Italien sowie beim Israel Ballet. Seit der Spielzeit 2016/17 ist Yoav Bosidan Mitglied des Ballett am Rhein. Schon zuvor ist Yoav Bisidan als Choreograf in Erscheinung getreten. Sein aktuelles Stück „Guns and Roses“ setzt sich mit dynamischen Bewegungen der Tänzer*innen Norma Magalhães und Gustavo Carvalho in einem gekonnt illuminierten Bühnenraum mit Themen wie Not und Hoffnung auseinander. Als starke Szene bleibt das Begraben eines mit Rosen umwachsenen Maschinengewehrs in Erinnerung.

 

Bild: Andrea Tozza und Courtney Skalnik
Samuel López Legaspi: Nobodies. Auf dem Bild: Andrea Tozza und Courtney Skalnik. // Foto: Daniel Senzek

Samuel López Legaspi stammt aus Spanien, wo er 2008 seine Tanzausbildung am Conservatorio Profesional de danza de Lugo begann. 2019 zog er für sein Studium an der English National Ballet School nach London. Während seiner Ausbildung tanzte er u.a. mit dem English National Ballet und dem Birmingham Royal Ballet und studierte die Werke von Choreografen wie Marco Goecke, Jiří Kylián und Hans Van Manen. Nach einem Zwischenspiel beim Bayerischen Junior Ballett München tanzt Samuel López Legaspi seit der Spielzeit 2023/24 am Ballett am Rhein. Für seine Choreografie „Nobodies“ hat er sich zwei großartige Songs von Donny Hathaway ausgewählt. Seine Tänzer*innen Maria Luisa Castillo Yoshida, Charlotte Kragh, Rose Nougué-Cazenave, Courtney Skalnik, Joaquin Angelucci, Evan L’Hirondelle und Andrea Tozza steckt er in Matrosenanzüge und lässt sie eine Reise auf rauer See antreten. Ein Stück mit schönen klassischen Tanzelementen und exzellent synchronen Formationen.

 

Bild: Marta Andreitsiv, Pedro Maricato, Paula Alves und Clara Nougué-Cazenave
Marta Andreitsiv: The only way out is through. Mit Marta Andreitsiv, Pedro Maricato, Paula Alves und Clara Nougué-Cazenave. // Foto: Daniel Senzek

Marta Andreitsiv wurde in der Ukraine geboren und begann im Alter von drei Jahren mit dem Ballettunterricht. Sie studierte an einer privaten Ballettschule in Kyjiw, bevor sie 2017 Studentin an der Tanz Akademie Zürich wurde. Nach Abschluss ihrer Ausbildung wurde sie für die Saison 2021/22 in die Junior Company Zürich aufgenommen. Seit der Spielzeit 2022/23 ist sie Ensemblemitglied des Ballett am Rhein und war u.a. zu sehen in der UFO-Produktion „Kinder an die Macht!“. Marta Andreitsivs Choreografie „The only way out is through“, in der sie selbst mittanzt, beschäftigt sich mit einem Gedicht des ukrainischen Dichters und Journalisten Vasul Symonenko (1935-1963). Mit ihren Tänzer*innen Paula Alves, Clara Nougué-Cazenave und Pedro Maricato beschert Marta Andreitsiv den Premierengästen einen nachdenklichen Abschluss.

 

„Tanz entwickelt sich ständig weiter, und wir überlassen deshalb aus voller Überzeugung in regelmäßigen Abständen denjenigen die Bühne, die sich täglich intensiv mit unterschiedlichsten Ballett-Techniken und choreographischen Handschriften auseinandersetzen: den Tänzerinnen und Tänzern des Ballett am Rhein“, erläutert Demis Volpi. Der scheidende Ballettdirektor und Chefchoreograf, der zur kommenden Spielzeit das Hamburg Ballett übernimmt, sagt weiter: „Tanz braucht diesen Raum, in dem Ideen Form annehmen können, in dem sich junge Künstlerinnen und Künstler ausprobieren dürfen.“

 

Bleibt zu hoffen, dass auch die neue Leitung des Ballett am Rhein „Step by Step“ fortführen wird. Schließlich hat dieses Format zum Saisonausklang in Düsseldorf Tradition. Es ermöglicht nicht nur den Tänzer*innen einen Perspektivwechsel, indem sie gemeinsam mit ihren Kolleg*innen aus der Compagnie Stücke nach eigenen Vorstellungen entwickeln – von der Musikauswahl über das Kostümbild bis zum Licht. Auch das Publikum ist seit Jahren begeistert von diesem Ballettabend und der Leistung des Ensembles.

 

Text: Oliver Erdmann | Quelle: Ballett am Rhein