Vor gut einem Jahrhundert war Paul O’Montis ein Star auf deutschen Bühnen. Heute ist der Vortragskünstler, der von den Nazis wegen seiner Homosexualität verfolgt und ermordet wurde, in Vergessenheit geraten. Ralf Jörg Raber will dies mit seinem Buch ändern.
„Beliebt bei älteren Damen und jüngeren Herrn“
Ralf Jörg Raber
Ralf Jörg Raber, Jahrgang 1960, sammelt seit seiner Jugendzeit Schellackplatten. Schon früh hatten es ihm die Schallplatten von Paul O’Montis angetan. Vielleicht auch wegen dessen Liedtexten, die oftmals zweideutig und anzüglich waren. Die Vortragskunst des Sängers ist vergleichbar mit der von heutigen Chansonniers wie Tim Fischer oder Max Raabe. Auf der Bühne trat O’Montis stets mit schwarzem Anzug und Monokel vor dem linken Auge auf und griff sich gerne mal mit abgeknickter Hand ans Dekolleté. Sein Schwulsein wurde ihm später zum Verhängnis. Ralf Jörg Raber, Wahl-Essener, aber in den 1980er-Jahren Gründungsmitglied des damaligen Lesben- und Schwulen-Zentrums Düsseldorf, vertiefte sich in das Leben des Künstlers und veröffentlichte 2021 eine ausführliche Biografie von Paul Wendel, wie O’Montis bürgerlich hieß.
Der Vortragskünstler Paul O’Montis (1894–1940) gehörte in den „Goldenen Zwanziger Jahren“ zu den Stars der deutschsprachigen Kabarett- und Kleinkunstszene. Die größten europäischen
Schallplattenfirmen hatten ihn unter Vertrag, seine Schlager und Chansons liefen im Radio. Er tourte durch halb Europa, verzauberte sein Publikum in den Metropolen ebenso wie in der Provinz. Doch
seinen Ruhm konnte er nur kurz genießen: Der Machtantritt der Nazis setzte seiner Karriere in Deutschland ein jähes Ende. Paul Wendel wurde Opfer des Paragrafen 175 und kam wegen seiner
Homosexualität ins Gefängnis. Nach verbüßter Haft emigrierte er und gab weiter Konzerte. 1939 wurde Paul O’Montis in Prag verhaftet, 1940 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt und
dort ermordet.
Detailreich berichtet Ralf Jörg Raber über das Leben und die Karriere des damals so erfolgreichen Künstlers, die allerdings im Gegensatz zu anderen damaligen Stars – vielleicht sogar wegen seines
Schicksals als § 175-Opfer – in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg vollkommen in Vergessenheit geriet. Zu Unrecht, findet Raber und verweist auf die Bühnenerfolge und zahlreichen
Tonträger-Einspielungen von Paul O’Montis. Mit seiner Biografie lässt Raber dem Vortragskünstler, der selbst von sich sagte, er sei „beliebt bei älteren Damen und jüngeren Herrn“, eine letzte
Ehre zuteilwerden.
„Beliebt bei älteren Damen und jüngeren Herrn“
Paul O’Montis – Biografie eines Vortragskünstlers
Von Ralf Jörg Raber
Metropol Verlag, 2021
272 Seiten, 22 Euro (E-Book: 17 Euro)
ISBN: 978-3-86331-578-8
Text: Oliver Erdmann | Quelle: Metropol Verlag