Schwule Architekten

In ihrem Buch „Schwule Architekten“ geben die Architekturhistoriker Wolfgang Voigt und Uwe Bresan einen Einblick in „verschwiegene Biografien vom 18. bis zum 20. Jahrhundert“. Auch der Düsseldorfer Architekt Helmut Hentrich wird porträtiert.

Bild: Buchcover "Schwule Architekten"
© Wasmuth & Zohlen Verlag

Homosexualität ist in der Architekturgeschichte noch immer ein Tabuthema. Wenn historische Architektenpersönlichkeiten außerhalb der heterosexuellen Norm gelebt haben, wird ihr Privatleben gern in mysteriöses Dunkel getaucht. Solange Strafgesetze Bestand hatten, war die soziale Existenz konstant gefährdet und das Versteckspiel war eine Notwendigkeit. Zur Absicherung bedurfte es defensiver Strategien. Um diese Außenseiter der Vergangenheit aufzuspüren, müssen die historischen Quellen queer gelesen werden.

 

Wolfgang Voigt, bis 2015 stellvertretender Direktor am Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main, und der Architekturhistoriker Uwe Bresan machten sich auf die Suche und präsentieren in diesem Buch das Ergebnis ihrer Recherchen. Es versammelt 41 Porträts aus dem 18. bis ins 20. Jahrhundert in Nordamerika, Europa und Palästina. Zum Vorschein kommen Architekten vom Barockzeitalter bis in die Moderne, überraschende Lebensläufe, bewundernswerte Häuser und nicht selten auch intelligent konzipierte Refugien, mit denen die Protagonisten ihr Privatleben schützten.

 

Die Autoren werfen in einem Kapitel auch einen Blick auf das Leben und Schaffen des deutschen Architekten Helmut Hentrich (1905-2001), der besonders durch seine markanten Hochhausbauten in den 1960er und 1970er Jahren bekannt wurde. Sein berühmtester Bau ist das Dreischeibenhaus in Düsseldorf, das zu den bedeutendsten Zeugnissen der Nachkriegsmoderne im Internationalen Stil zählt. Hentrich und Partner zeichnen auch für viele weitere Bauten in Düsseldorf verantwortlich, etwa das RWI-Gebäude in Unterbilk, das Drahthaus in Golzheim oder das Malkasten-Haus in Pempelfort.

 

In der niederländischen Provinz Zuid-Limburg baute sich Helmut Hentrich Anfang der 1970er-Jahre sein privates Refugium, das Casteel Groot Buggenum auf den Grundmauern einer kleinen Wasserburg aus dem 17. Jahrhundert. Buchautor Wolfgang Voigt schreibt hierzu: „Groot Buggenum war nicht nur sein Ferienhaus, es schützte auch sein Privatleben zu einer Zeit, als die Strafbestimmungen gegen Homosexualität in Teilen aufgehoben, aber nicht beseitigt waren.“ Wenngleich es Hentrich gelang, sein Privatleben vor der Düsseldorfer Öffentlichkeit verborgen zu halten, war laut Voigt „die Homosexualität des lebensfrohen Junggesellen […] nirgends ein Geheimnis.“

 

Ein Lesetipp nicht nur für Architekturfreund*innen. Das Buch begeistert mit einem interessanten Vorwort der Herausgeber, gut recherchierten biografischen Texte in 25 Kapiteln und zahlreichen Bilddokumenten.

 

Schwule Architekten. Verschwiegene Biografien vom 18. bis zum 20. Jahrhundert

Wolfgang Voigt, Uwe Bresan

304 Seiten, Softcover

Wasmuth & Zohlen Verlag

ISBN 978 3 8030 2378 0

 

Text: Oliver Erdmann | Quelle: Wasmuth & Zohlen Verlag