Kunstfilmprojekt zur Situation von LSBTIQ* in Polen

Mit seinem neuen Projekt „Homopol“ will der Düsseldorfer Choreograf und Tänzer Amadeus Pawlica auf die Lage von queeren Menschen in Polen aufmerksam machen. Für seine Recherchen sucht er noch Menschen, die ihm ihre Geschichten erzählen.

Bild: Amadeus Pawlica
Amadeus Pawlica beschäftigt sich in seinem neuen Projekt mit der aktuellen Situation von LSBTIQ* in Polen. // Foto: Amadeus Pawlica

Amadeus Pawlica war zwei Jahre alt, als er mit seinen Eltern von Polen nach Deutschland kam. Der heute 33-Jährige schlug eine Laufbahn als Tänzer ein und absolvierte seine Ausbildung an der Akademie des Tanzes in Mannheim und an der Royal Ballet School in London. 2009 ging er für ein erstes Engagement zurück nach Polen und tanzte ein Jahr an der Staatsoper Bydgoszcz in einem klassischen Ballett. Dann zog es ihn zurück nach Deutschland, wo er als Tänzer in Lüneburg und Osnabrück tätig war, bis er 2016 zusammen mit seiner Kollegin Katerina Vlasova beschloss, sich als Choreografen-Duo selbstständig zu machen.


Seither hat er mit der Vlasova/Pawlica-Company elf zeitgenössische Tanzstücke für die freie Szene und zwei Choreografien am Tanztheater inszeniert. Sein neues Projekt setzt Amadeus Pawlica allerdings in Eigenregie um. Seit Ende 2019 lebt der Künstler mit seinem Mann in Düsseldorf. Hier hat er gerade eine Residenz im Freiraum Düsseldorf begonnen, einem Arbeits- und Probenort für Künstler*innen der lokalen freien Szene. Ein Corona-Stipendium ermöglicht ihm die Recherche- und Produktionsarbeit für sein „Herzensprojekt“. Amadeus Pawlica beschäftigt sich mit der aktuellen Situation von LSBTIQ* in Polen.

 

Bild: Amadeus Pawlica mit Blumenmütze
Amadeus Pawlica ist polnisch-deutscher Choreograf, Tänzer, Filmemacher und Aktivist. // Foto: Amadeus Pawlica

Die Situation dort sei unerträglich, sagt Pawlica, der neben seiner deutschen Staatsangehörigkeit auch die polnische behalten hat. Er selbst sei „zwischen den Kulturen aufgewachsen“ und froh, dass in Deutschland die Rahmenbedingungen für Homosexuelle besser seien. Mit sechzehn hat sich Amadeus geoutet. „Für meine Mutter war das der Weltuntergang“, berichtet er, doch das habe sich inzwischen gelegt: „Sie steht jetzt voll und ganz hinter mir“. Seit damals beschäftige er sich aber viel mit der offenen Homofeindlichkeit in seinem Geburtsland.


Queere Menschen sehen sich in Polen Anfeindungen und Hass schutzlos ausgeliefert, LSBTIQ*-Demonstrationen werden verboten, Aktivist*innen drangsaliert. Polnische Kommunen erklären sich reihenweise zu „LGBT-freien Zonen“. Das gesellschaftliche Klima ist vergiftet, auch durch homofeindliche Reden des polnischen Präsidenten. Derzeit plant die rechtskonservative Regierung zudem die Einschränkung von Frauenrechten durch ein verschärftes Abtreibungsgesetz.

 

Bild: Amadeus Pawlica in betender Haltung
Körpersprache als Ausdrucksform. // Foto: Amadeus Pawlica

Amadeus Pawlica will den Menschen in Polen, die dort wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden, eine Stimme geben. Für sein aktuelles Projekt führt er Gespräche mit Betroffenen und recherchiert in Zeitungsartikeln oder TV-Dokumentationen. Zu Wort kommen sollen auch LSBTIQ*-Aktivist*innen aus Warschau, der Hauptstadt Polens und Partnerstadt von Düsseldorf. So ist Pawlica in Kontakt mit der Warschauer Voguing-Gruppe „Kiki House of Sarmata“, die für Akzeptanz und Frauenrechte auf die Straße geht, oder dem DJ Avtomat, der im vergangenen Jahr bei einer LSBTIQ*-Demonstration verhaftet wurde.


Entstehen soll ein gut 20-minütiger Kurzfilm. „Ich bewege mich an der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Tanz“, beschreibt Amadeus Pawlica seine Arbeit. Er wolle sich dem Themenfeld künstlerisch-ästhetisch nähern, aber gleichzeitig „so informativ wie möglich“ sein. Im Fokus steht die Beziehung zwischen der persönlichen, sexuellen oder geschlechtlichen Identität und der nationalen Identität. Der Film mit dem Arbeitstitel „Homopol“ könnte schon im Mai 2021 Premiere auf YouTube und Vimeo feiern und soll nach Möglichkeit auch auf Filmfestivals gezeigt werden.


Im Rahmen seiner Recherchearbeit sucht Amadeus Pawlica noch Menschen, die ihm ihre Geschichten erzählen oder ihre persönlichen Ansichten mitteilen wollen. Auch wenn sein Fokus auf Polen liegt, sind Kontakte zu Menschen mit ähnlichen Erfahrungen aus anderen Ländern und Kulturkreisen willkommen. E-Mail-Kontakt: webmaster@boitoy.de

 

UPDATE (29.04.2021)

 

HOMOPOL ist ein Kurzfilm zu der Situation der LGBTQ+ Community in Polen. Er gewährt einen Blick in die politischen Zustände im Land, setzt sich mit diesen auseinander und bringt sie in einen künstlerischen Kontext, indem Pawlica eine tänzerisch-bebildernde Sprache dafür findet.

 

Am Anfang ging es darum sich mit Nationalität und Identität zu beschäftigen. Als polnischer Migrant ist Pawlica zwischen den Kulturen aufgewachsen, hatte immer Schwierigkeiten sich mit einer der beiden Kulturen zu identifizieren. Dazu kam noch die sexuelle Identität, die von der breiten polnischen Bevölkerung auch eher problematisch aufgefasst wird.

 

Aus diesem Gedanken ist der Wunsch entstanden Hoffnung zu spenden, aber gleichzeitig auch die Missstände in einer Gesellschaft aufzuzeigen, die sich mitten in Europa befindet und europäische Werte ignoriert. In zahlreichen Interviews, mit Aktivisten, Ausgewanderten, und vor Ort lebenden, hat Pawlica diese turbulente Zeit in der polnischen Gesellschaft eingefangen.

 

Ein Kurzfilm, der sich an der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Kunstfilm bewegt, über Liebe, Hass und Hoffnung.

Premiere am 30. April 2021 um 19.30 Uhr auf boitoy.de

 

Text: Oliver Erdmann