Bochum als Keimzelle der Schwulenbewegung

Ein neues Buch beleuchtet die Arbeit der HAG – Homosexuelle Aktionsgruppe Bochum und kommt zu dem Schluss: Der Beginn der homosexuellen Emanzipation in Deutschland ging vor fünfzig Jahren von lesbischen und schwulen Studierenden an der Ruhr-Uni Bochum aus.

Bild: Buchcover HAG Homosexuelle Aktionsgruppe Bochum

Im vergangenen Jahr konnten ehemalige Studierende an der Ruhr-Universität Bochum auf das 50. Gründungsjubiläum der HAG – Homosexuelle Aktionsgruppe Bochum zurückblicken. Die von zwei lesbischen Studentinnen initiierte Gruppe wurde 1970 ins Leben gerufen. In der Folgezeit haben sich überwiegend schwule Studierende öffentlichkeitswirksam für die Belange von Homosexuellen engagiert. Ein Jahr nach der Lockerung des Schwulenparagrafen 175 war die HAG die erste belegte Aktionsgruppe von Homosexuellen in Deutschland.

 

Eine ausführliche Dokumentation über die HAG ist jetzt als Buch erschienen. Beschrieben werden der Beginn und die weitere Entwicklung der Emanzipationsgruppe. Man erhält einen authentischen Einblick in gesellschaftliche Zustände und Veränderungen in dem Jahr nach der ersten Strafrechtsreform des § 175 StGB von 1969 und den Folgejahren. Das Buch ist eine Kombination aus einer historisch-wissenschaftlichen Betrachtung und authentischen Essays – angereichert mit Fotos.

 

Herausgeber Reinhard Schmidt hat damals an der Ruhr-Uni Psychologie studiert und war bei der Gründung der HAG am 15. Dezember 1970 mit dabei. Seine schriftlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit waren ein wichtiger Bestandteil bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung durch den Hamburger Historiker Dr. Gottfried Lorenz, der in unterschiedlichen Archiven zu den politischen Aktionen der Hochschulgruppe recherchiert hat. Lorenz nimmt auch eine zeitgeschichtliche Einbettung der HAG-Aktivitäten vor. Neben Reinhard Schmidt steuerten auch der Hamburger Kunsthistoriker Dr. Günter Hartmann und der Bonner Jurist Matthias Weckerling ihre persönlichen Erinnerungen bei.

 

Das Buch öffnet ein spannendes Zeitfenster vom Beginn der homosexuellen Emanzipation in Deutschland. Die 1970 in Bochum gegründete Hochschulgruppe half auch beim Aufbau einer entsprechenden Aktionsgruppe an der Uni Münster mit. Dort gingen die Studierenden ein Jahr später auf die Straße und protestierten gegen Diskriminierung von Homosexuellen, was heute als Geburtsstunde der Christopher-Street-Days in Deutschland gewertet wird. Dass die Bochumer Aktionsgruppe die eigentliche Keimzelle der sogenannten dritten deutschen Homosexuellenbewegung bildet, war bislang unbekannt und wird hier erstmals belegt.

 

Die Aktivitäten der HAG Bochum haben bis heute ihre Spuren im Ruhrgebiet hinterlassen. Eine Untergruppe entwickelte 1972 die Idee für ein eigenes Zentrum, das zwei Jahre später als „Kommunikations-Centrum Ruhr“ in Dortmund gegründet wurde. Das KCR besteht noch heute. 1980 richteten HAG-Nachfolger das „Beratungstelefon für Schwule von Schwulen“ in Bochum ein, das noch heute als „Rosa Strippe“ existiert.

 

HAG – Homosexuelle Aktionsgruppe Bochum. Beginn der homosexuellen Emanzipation im Jahr 1970
Reinhard Schmidt (Hrsg.)
286 Seiten, 20 Fotos, teils in Farbe
BoD – Books on Demand
ISBN 978-3-7526-3003-9
€ 17,50

 

Text: Oliver Erdmann