Die wilden Jahre

Die Buchautorin Susanne Goga aus Mönchengladbach will mit ihren Geschichten auch queere Sichtbarkeit vermitteln. So wie in ihrem neuesten Roman „Die wilden Jahre“, der in Düsseldorf spielt. Am 23. November kommt sie zu einer Lesung ins Theatermuseum.

Porträt einer Frau mit blond-gelocktem Haar und roten Lippen vor dunklem Hintergrund
Buchautorin Susanne Goga // Foto: Thomas Rabsch

Susanne, am 12. November erscheint dein neuester Roman „Die wilden Jahre“. Worum geht es in dem Buch?

 

Der Roman spielt 1919 in Düsseldorf und Mönchengladbach und erzählt die Geschichte zweier Geschwister vor dem Hintergrund von Theatergeschichte, Krieg, Revolution und Rheinland-Besatzung. Thora, die weibliche Hauptfigur, macht eine Ausbildung am damaligen Schauspielhaus Düsseldorf und brennt fürs Theater, bis ihr Bruder, dem sie sehr nahesteht, unter Mordverdacht verhaftet wird. Sie setzt alles daran, ihn zu retten.

Es ist kein klassischer Ermittlerkrimi, sondern ein Roman über verschiedene Formen von Liebe in einer Zeit, über die ich zuvor kaum etwas wusste und von der ich gern erzählen wollte. Aber nicht ohne Spannungselemente.

 

Es geht auch um Queerness. Kannst du uns hierzu etwas mehr verraten?

 

Es gibt eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern, die einen gewissen Raum einnimmt und für die Handlung von zentraler Bedeutung ist. Thema ist dabei weniger eine epochentypische Homophobie, sondern wie sich die Beziehung in extrem bewegten Zeiten entwickelt und der Krieg paradoxerweise Freiheiten bietet, die im Frieden nahezu unmöglich erscheinen.

 

Hast du schon in anderen Romanen queere Themen behandelt? Was ist dein persönlicher Bezug dazu?

 

„Es geschah in Schöneberg“ (Band 5 meiner Leo-Wechsler-Reihe) spielt unter anderem im queeren Berliner Milieu des Jahres 1927. Leo Wechsler hat ab Band 7 einen schwulen Kollegen. Weibliche Homosexualität wird ebenfalls mehrfach erwähnt. Auch in meinen anderen historischen Romanen gibt es queere Figuren, z.B. in „Die Sprache der Schatten“ und „Das Haus in der Nebelgasse“.

 

Ich habe viele Romane mit queerer Thematik gelesen bzw. Filme geschaut, es ist ein Thema, das mich seit langem interessiert. Persönliche Bekanntschaften tragen dazu bei wie auch das Bedürfnis, in Zeiten eines rechten Backlash Solidarität zu zeigen und auch über meine Romane Sichtbarkeit zu vermitteln.

 

Es ist nicht dein erster historischer Roman. Deine Berlin-Krimis spielen in den 1920er-Jahren, in anderen Geschichten entführst du deine Leser*innen ins England des 19. Jahrhunderts. Was reizt dich an Handlungen, die nicht im Hier und Jetzt angesiedelt sind?

 

Mich reizen Zeiten, die uns nicht ganz fern sind, aber doch fern genug, um die Unterschiede zu heute erkennen zu lassen. In denen ich Parallelen zu heute entdecken, aber auch das Fremde, Historische betonen kann. Über meine Gegenwart zu schreiben, hat mich zumindest bis jetzt nie interessiert. Mir reicht es, in dieser Zeit zu leben, das verlangt genügend Energie. Ich verkläre beim Schreiben die Vergangenheit jedoch nicht, berichte nicht von „guten, alten Zeiten“, die es ohnehin nie gab. Und im Idealfall entdecke ich Themen, die ich selbst noch nicht kannte und von denen ich anderen gern erzählen möchte, oft mit einem Bezug zu weiblichen Lebensrealitäten.

 

Obwohl du in Mönchengladbach geboren bist und bis heute dort lebst, spielen deine Geschichten ganz woanders. Wie kommt’s?

 

Mönchengladbach gab bisher einfach nicht genug her für die Romane, die ich schreiben wollte. Berlin in der Weimarer Republik ist einfach aufregender und vielfältiger, die damalige Kriminalpolizei war weltweit führend in ihren Ermittlungsmethoden. Von den gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungen, die sich in Berlin wie in einem Brennglas konzentrierten, einmal ganz abgesehen.

 

Für „Die wilden Jahre“ bin ich sozusagen heimgekehrt und habe zum ersten Mal einen Roman geschrieben, der in Düsseldorf und in Teilen auch in Mönchengladbach spielt, weil die Geschichte, die ich erzählen wollte, es verlangte. Die Besatzung des Rheinlands und auch die Teilung Düsseldorfs nach dem 1. Weltkrieg war etwas, über das ich gar nichts wusste. Andere wohl auch nicht, denn ich bin auf großes Erstaunen gestoßen, wenn ich davon erzählte. Schreiben hat für mich immer auch etwas mit Entdecken zu tun.

 

Am 23. November bist du zu Gast im Theatermuseum Düsseldorf und stellst dein neues Werk vor. Was ist für dich das Besondere an dieser Lesung?

 

Das Besondere ist vor allem, dass ich dort im Oktober 2022 die erste Idee zum Roman hatte, als ich eine Führung von Sascha Förster mitgemacht habe. Der Roman kehrt also zu seinem Ursprungspunkt zurück. Es folgten umfangreiche Recherchen in Archiven, an Schauplätzen, im Internet. Möglicherweise habe ich für keinen Roman mehr recherchiert als für diesen, auch weil er so viele Themen behandelt, mit denen ich mich vertraut machen musste. Aber der allererste Anfang war der Moment, in dem ich vor der Vitrine mit dem Register der ehemaligen Hochschule für Bühnenkunst stand. Natürlich war die Seite mit Gustaf Gründgens aufgeschlagen. Ich las „April 1919“, und sofort drehten sich die Rädchen in meinem Kopf.

 

Buchcover "Die wilden jahre" von Susanne Goga. Eine Frau mit rotem Hut und roten Schuhen flaniert an der Rheinpromenade.
© Heyne Verlag

Die Lesung „Die wilden Jahre“ mit Susanne Goga findet statt am 23. November 2025 um 18.00 Uhr im Theatermuseum (Jägerhofstr. 1). Kooperationspartner ist Queere Geschichte(n) Düsseldorf e.V.

 

Der Roman „Die wilden Jahre“ erscheint am 12. November 2025 im Heyne-Verlag.

 

Fragen: Oliver Erdmann