DQ-Lesetipp | Februar 2024

Das Team der Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf stellt hier regelmäßig lesenswerte Bücher vor. Diesmal: „Muttermilch“ von Melissa Broder und „Im Park der prächtigen Schwestern“ von Camila Sosa Villada. Viel Freude beim Lesen!

Bild: Lesetipp Februar 2024
Bild: Buchcover "Muttermilch"
© Claassen Verlag

Muttermilch

Melissa Broder

Claassen Verlag | ISBN 978-3-546-10006-9

 

Rachel ist Mitte 20, bisexuell, in einer liberalen jüdischen Familie aufgewachsen und geht ihrem verhassten Job in einer Talentagentur in Hollywood nach. Sie ist besessen von der Angst zuzunehmen und in der Folge vom Essen und Nichtessen sowie vom Kalorienzählen. Sie hasst es von ihrem Chef Ofer gemeinsam mit ihren KollegInnen mindestens zweimal wöchentlich zum Mittagessen in das Restaurant „Last Crush“ gezwungen zu werden, wo sie mit Makkaroni mit Käse, kleinen Burgern und Kalbfleischklößchen fertigwerden muss. Wie anders sind da die guten Tage, an denen sie entweder Salat bei Subway bestellen oder in einem der beiden Frozen-Yogurt-Läden auf derselben Straße einkehren kann.

 

Die Wurzel allen Übels liegt in Rachels beständig Askese predigender Mutter, die von der Angst angetrieben wird, ihre Tochter könne enden wie deren sinnenfrohe adipöse Großeltern und damit ihre Chancen auf dem Heiratsmarkt konterkarieren. Als Rachel anlässlich eines Verkupplungsversuchs ihrer übergriffigen Mutter vor dieser ihr Coming-out als bisexuelle Frau hat, beginnt diese zu schluchzen und tönt, Rachels Großvater habe nicht sein ganzes Leben lang gearbeitet, damit seine Enkelin eine beschissene Lesbe sei.

 

Bei „Yo!Good“ lernt Rachel die etwa gleichaltrige orthodoxe Jüdin Miriam kennen, die sie bei jeder Bestellung übervorteilt und zum Konsum opulenter Eisbecherkreationen verführt. Miriam, die mit ihrer runden Körperlichkeit ganz im Reinen ist, scheint in Vielem das genaue Gegenteil von Rachel zu sein. Vor allem aber weckt sie eine unbändige Gier und ein sexuelles Begehren in Rachel, die weit über lukullische Genüsse hinausgehen …

 

Im Grunde schildert der Roman auf packende Weise den Prozess der Selbstermächtigung der Protagonistin. Insgesamt handelt es sich um einen amüsant und fesselnd geschriebenen Roman, der aufgrund seiner humorvollen Sprache zum genussvollen Verschlungenwerden einlädt.

 

Vorgestellt von Andrea Schroeder

 

Bild: Buchcover "Im Park der prächtigen Schwestern"
© Suhrkamp Nova

Im Park der prächtigen Schwestern

Camila Sosa Villada

Suhrkamp Nova | ISBN 978-3-518-47118-0

 

Dieser Roman enthält drei Erzählstränge, die miteinander verflochten sind. Zuerst einmal erzählt die Autorin in eventuell autobiographischen Rückblicken ihr Leben als trans*Person von der Kindheit bis zu ihrer Studienzeit. Wie es war auf dem Land in Argentinien aufzuwachsen, arm und fernab jeder Möglichkeit etwas über Transidentität zu erfahren.

 

Des Weiteren erfahren wir von der trans*Frau Tia Encarna, die als Sexarbeiterin nachts in einem kleinen Park einer argentinischen Stadt arbeitet und gleichzeitig trans*Mutter einer ganzen Gruppe von trans*Frauen ist, die auch alle als Sexarbeiterinnen tätig sind. Eines nachts findet Tia Encarna in einem Gebüsch im Park ein Baby und beschließt es aufzuziehen, anstatt es den Behörden zu übergeben. Sie nennt es „Den Glanz in den Augen“, da es bei allen Frauen bei ihr im Haus genau diese Reaktion auslöst, wenn sie Zeit mit ihm verbringen.

 

Zum Schluss werden in kurzen Anekdoten die einzelnen Frauen der Gruppe um Tia Encarna vorgestellt, ihre Erfahrungen, ihre Leben, ihre Hoffnungen, ihre Träume. Auch die Autorin schließt sich dieser Gruppe an. Frauen, die sich eine eigene Realität erschaffen voller Geschichten, Legenden und Traditionen. Transgöttinnen, die bei Events beschworen, und Heilerinnen, die im Notfall gerufen werden können, ergänzen dieses Weltbild.

 

Gleich im ersten Absatz liest man einen Satz, der so verzaubert als hätte die Autorin ihn aus dem Zentrum ihrer Seele entnommen. Solche Sätze und manchmal auch Metaphern finden sich immer wieder im Roman, so dass es einem den Atem raubt. Dem gegenüber stehen Blut, Schweiß und Tränen, sowie Körperlichkeit und immer wieder Gewalt. Geschichten direkt von der Straße, so direkt und brutal wie die Realität. Die Autorin erläutert immer wieder, ohne zu beschönigen, das Leben vieler trans*Frauen in Argentinien.

 

Dieser Roman ist eines von 333 Büchern zum Thema trans* (TRA-) im Bestand der LuSBD.

 

Vorgestellt von Markus Gickeleiter

 

Die Bücher können bei der LUSBD Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf kostenlos ausgeliehen werden.

 

Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf
im Bürgerhaus Angermund
Graf-Engelbert-Str. 9
40489 Düsseldorf
Geöffnet jeden Sonntag von 15.00 bis 16.30 Uhr

Anmeldung erforderlich

www.lusbd.de

 

DQ – Düsseldorf Queer dankt dem Team der LUSBD für die nette Zusammenarbeit.