Das Team der Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf stellt hier regelmäßig lesenswerte Bücher vor. Diesmal: „Imogen, Obviously?“ von Becky Albertalli und „Magie & Milchschaum“ von Travis Baldree. Viel Freude beim Lesen!


Imogen, Obviously
Becky Albertalli
ONE-VERLAG | ISBN 978-3-8466-0220-1
Cover und Farbschnitt des Buches hätten eigentlich Warnung genug sein sollen, aber da „Imogen, Obviously“ mir selbst in der Vergangenheit des Öfteren als „Wohlfühl YA-Geschichte mit klarer Leseempfehlung“ vorgeschlagen worden war, hatte ich es schließlich doch auf meine To-be-read-Liste gesetzt.
Immerhin sagte mir der Name der Autorin, Becky Albertalli, etwas. Bei Albertalli handelt es sich um die Co-Autorin des Romans „Love, Simon“, der bereits erfolgreich verfilmt wurde. Dann sollte ich das Buch doch mögen. Dachte ich. Nach zwei Kapiteln beschlich mich so langsam das Gefühl, dass ich nun wirklich nicht mehr zur Zielgruppe dieses Buches gehörte, obgleich es mir üblicherweise wenig ausmacht, in die Welt von Protagonist*innen einzutauchen, die halb so alt sind wie ich. Im Gegenteil, Young-Adult-Bücher sind eigentlich fast immer meine erste Wahl. Aber bei diesem Buch… hatte es tatsächlich gedauert, bis es Klick gemacht hatte und ich es bis zum Schluss kaum noch zur Seite legen konnte.
Worum geht es? Imogen, 17 Jahre alt, engagiert sich leidenschaftlich als Ally der queeren Community. Und dazu hat sie in der Tat ausreichend Gelegenheit – schließlich sind ihre Schwester und ihre beiden besten Freundinnen queer. Imogen selbst hingegen ist felsenfest davon überzeugt, hetero zu sein. Doch dann besucht sie eine ihrer beiden besten Freundinnen, Lili, an der Uni. Kurzerhand erfährt Imogen, dass Lili gegenüber ihren Mitstudierenden behauptet hat, dass Imogen und sie einmal ein Paar waren. Imogen nimmt Lili dies allerdings nicht übel. Nein, als zuverlässige und liebenswürdige Freundin, die Imogen nun einmal ist, gibt sie sich größte Mühe bei dem Schwindel mitzumachen – ausschließlich damit beschäftigt, sich Sorgen darüber zu machen, dass die Lüge auffliegen und sie nicht glaubwürdig genug als queer rüberkommen könnte. Dann lernt Imogen an ebendieser Uni Tessa kennen und langsam, sehr langsam kommt Imogen auf die Idee, dass sie vielleicht doch mehr als ein Ally sein könnte. Wäre da nur nicht Imogens andere beste Freundin, Gretchen, die es nicht lassen kann, Imogen hinsichtlich ihrer aufkommenden Zweifel an ihrer sexuellen Identität und ihrer zart aufkeimenden Gefühle für Tessa zu verunsichern.
Die Story ist an sich humorvoll geschrieben. Hier ein Beispiel: Auch wenn Imogen erst auf etwa der Hälfte des Buches selbst auf den Trichter kommt, dass sie vielleicht bisexuell sein könnte, gab es bis dahin schon eine ganze Reihe von Hinweisen, die queere Leser*innen sofort erkennen und schmunzeln lassen, z. B. wenn sich Imogen in den Roman „Die sieben Ehemänner der Evelyn Hugo“ vertieft oder darüber nachdenkt, dass sie Mädchen eigentlich schon immer interessant fand.
Dennoch war die Geschichte für mich an vielen Stellen unglaubwürdig. Warum hat Imogen, die nur von queeren Menschen umgeben zu sein scheint, sich offenbar noch nie wirklich mit ihrer eigenen sexuellen Identität auseinandergesetzt? Sie ist so felsenfest davon überzeugt hetero zu sein. Und ja, Menschen wie Gretchen, die meinen darüber urteilen zu dürfen, wer queer (genug) ist und wer nicht, sind da nun wirklich wenig hilfreich, um es noch milde auszudrücken.
Warum verdient das Buch aber nun doch einen Lesetipp? Lässt man einmal beiseite, dass die Story immer wieder von teils wirren Chatverläufen unterbrochen wird (kommunizieren junge Leute wirklich so?), stellt das Buch doch eine Reihe kluger Fragen, die sich viele queere und insbesondere bisexuelle Personen stellen: Darf man sich tatsächlich als bisexuell bezeichnen, auch wenn man nur ein einziges Mal im Leben eine Person des eigenen Geschlechts attraktiv fand? Ist das schon Queerbaiting? usw. Während man sich selbst ohnehin permanent die Frage stellt, ob man eigentlich queer genug ist, begegnen einem als bisexuelle Person selbst in der queeren Community, die ja eigentlich ein Safe Space sein sollte, Skepsis und Vorurteile. Dabei hat niemand (und die blöde Gretchen schon gar nicht), das Recht zu definieren, was oder wer queer genug ist. Da kommt Imogens Empowerment gegen Ende des Buches sehr erfrischend daher und auch der Schluss selbst ist meiner Meinung nach sehr gelungen.
Ich mochte das Buch auch deshalb, weil es zum Nachdenken anregt. Insbesondere da ich, wie ich schrieb, Imogen über weite Strecken des Buches hinweg unglaubwürdig fand. Denn stellt mich das nicht am Ende doch irgendwie auf eine Stufe mit Gretchen? Schließlich entscheide auch ich nicht darüber, ob Imogen queer genug ist oder warum bei ihr erst so spät der Groschen fällt. Das müsste ich doch eigentlich wirklich besser wissen ...
Alles in allem würde ich das Buch auf jeden Fall jüngeren Personen empfehlen, die sich noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität befinden und denen das Buch eine wirkliche Hilfe sein könnte.
Vorgestellt von Anne-Katrin Weber

Magie & Milchschaum
Travis Baldree
dtv | ISBN 978-3-423-26356-6
Viv ist eine Ork-Kriegerin und verdient sich ihren Lebensunterhalt mit dem üblichen Kram ihres Volkes: als Söldnerin kämpft sie in Kriegen, verdient sich Kopfgeld auf der Jagd nach üblen Gestalten oder führt als Teil einer Gruppe Gleichgesinnter Aufträge aus. Immer darauf wartend, dass der nächste Auftrag der Letzte sein könnte. Orks sterben im Allgemeinen eben nicht an Altersschwäche.
Durch Zufall hört sie eine alte Legende von einem glückbringenden Stein. Als Teil eines Auftrages gelangt sie in den Besitz des Steines und verlässt ohne Zurückzublicken ihre aktuelle Truppe. Ihr Ziel ist, sich einen lang gehegten Traum zu erfüllen. Sie will einen kleinen Laden anmieten, um Kaffee auszuschenken, seit sie in einem gnomischen Café auf den Geschmack gekommen ist. Als Ort für ihr Vorhaben wählt sie die Stadt Thune, in der sich mehrere Ley-Linien kreuzen. Diese Linien sollen laut der Legende, die Kraft des Steins verstärken.
In Thune angekommen, setzt Viv ihren Plan Schritt für Schritt um. Ein Geschäft anmieten, den Stein an einer günstigen Stelle vergraben, einen Wichtel (Cal) engagieren für die Umbauarbeiten, eine Hilfskraft (Tandri) fürs Café anheuern, etc. Bis zur Eröffnung dauert es nicht lange.
Auch wenn Viv einen glückbringenden Stein und einen Plan hat, gibt es immer noch unvorhergesehene Dinge. So hat außer ihr noch niemand in diesem Teil der Welt Kaffee getrunken. Auch wird die Stadt, inoffiziell, von der Madrigal beherrscht. Diese möchte für ihren Schutz ein monatliches Entgelt haben, was bei Viv gar nicht gut ankommt. Auch einer ihrer früheren Kollegen, Fennus, scheint von dem Stein zu wissen und hinter diesem her zu sein. Als wäre es nicht schon schwer genug mit einer neuartigen Idee als orkische Geschäftsfrau über die Runden zu kommen.
Und dann ist da noch Tandri, eine Sukkubus, die Viv emotional ablenkt.
In diesem Roman findet sich alles, was zu einem High-Fantasy-Plot gehört: Orks, Elfen, Menschen, Monster, Legenden, Gefahren und Widernisse. Trotzdem ist die Geschichte eher entschleunigt geschrieben. Es gibt keine großen Schlachten, stattdessen nimmt sich der Autor Zeit die handelnden Figuren langsam aufzubauen. Zwar hat Viv einen Plan von ihrem Traum ein Café zu eröffnen, da sie auf diesem Gebiet aber keinerlei Erfahrung mitbringt, ist sie dringend auf Hilfe angewiesen. Zum Glück ist Tandri in dieser Hinsicht sehr kreativ.
Der Roman liest sich wie eine Mischung aus Fantasy und Steam Punk, mit einem Schuss sanftem Humor und einer Prise Action. Eine unaufgeregte Mischung, die einfach herrlich entspannt.
Vorgestellt von Markus Gickeleiter
Die Bücher können bei der LUSBD Lesben- und Schwulen-Bibliothek Düsseldorf kostenlos ausgeliehen werden.
Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf
im Bürgerhaus Angermund
Graf-Engelbert-Str. 9
40489 Düsseldorf
Geöffnet jeden Sonntag von 15.00 bis 16.30 Uhr
Anmeldung erforderlich
DQ – Düsseldorf Queer dankt dem Team der LUSBD für die nette Zusammenarbeit.