NRW-Wahl 2022: Was die Parteien wollen

Am 15. Mai 2022 wird der Landtag von Nordrhein-Westfalen neu gewählt. In Düsseldorf bewerben sich 36 Kandidat*innen um ein Direktmandat, insgesamt treten 29 Parteien zur Wahl an. Düsseldorf Queer hat sich die queerpolitischen Schwerpunkte einiger Parteien angesehen.

Bild: NRW-Landtag von oben
Der Landtag von Nordrhein-Westfalen von oben. // Foto: heiteu / Pixabay / CC0

Aufgrund der Vielzahl der Parteien wird der Fokus auf die im Düsseldorfer Stadtrat vertretenen Parteien (außer der AfD) gelegt. Dies sind neben den großen Parteien CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auch Die Linke und Volt. Grundlage der Betrachtung sind die Wahlprogramme der Landesparteien zur NRW-Wahl 2022. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Direktkandidat*innen auf vier Wahlkreise verteilen, konnten deren persönliche Schwerpunkte nicht angefragt werden.

 


Christliche Demokratische Union Deutschlands (CDU)

Im Wahlprogramm der CDU heißt es: „Keine Landesregierung zuvor hat mehr für den Schutz und die Unterstützung von queerem Leben im Nordrhein-Westfalen getan, z. B. durch einen inhaltlich weiterentwickelten Landesaktionsplan, unsere Agenda zum Schutz intergeschlechtlich geborener Kinder, die Unterstützung von Regenbogen-Familien, Angebote für LSBTIQ*-Jugendliche, die Aufarbeitung des Unrechts nach §175 StGB-alt und verstärkte gesellschaftliche Aufklärung sowie Toleranzarbeit.“


Die CDU will sich weiter für Vielfalt einsetzen: „Vielfalt und Zusammenhalt machen unsere Gesellschaft stärker und menschlicher. Hassgewalt gegen unterschiedliche Lebensentwürfe lehnen wir ab. Jeder muss unabhängig seiner sexuellen Identität frei und ohne Angst leben können. Die Vielfalt der Schöpfung wird von manchen noch immer und immer wieder abschätzig behandelt und angegriffen. Wir unterstützen die unterschiedliche Lebenswirklichkeit in unserem Land und fördern die LSBTIQ*-Strukturen und -Projekten im ganzen Land.“


Drei Schwerpunkte werden im Wahlprogramm der CDU genannt:

  • „Wir werden die Unterstützungsangebote für LSBTIQ* fortsetzen.“
  • „Für ein Leben in Freiheit und Würde, ohne Diskriminierung oder sogar staatliche Verfolgung, sind ganze Generationen mutiger Menschen auf die Straße gegangen. Deshalb wollen wir prüfen, nicht kommerzielle, kleine CSDs zu unterstützen.“
  • „Wir engagieren uns weiterhin gegen Diskriminierung und für Vielfalt und Zusammenhalt. Dazu wollen wir die Antidiskriminierungsarbeit in der Landesverwaltung sowie im öffentlichen Dienst voranbringen.“

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die SPD will sich laut Wahlprogramm in drei großen Bereichen für die Gleichstellung aller Geschlechter einsetzen:

 

Queere Generationen im Blick

„Wir setzen uns dafür ein, dass LSBTIQ*-Jugendliche stärkende Räume erfahren können. In queeren Jugendtreffs und -gruppen sollen sie ohne Sorge vor Queerfeindlichkeit zusammen ihre Freizeit verbringen und Unterstützung finden können. Daher werden wir queere Jugendangebote sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum fördern. Hierzu sind auch ergänzende digitale Angebote geeignet. Ebenso setzen wir uns dafür ein, dass die LSBTIQ*-Kinder- und Jugendarbeit in die Jugendförderpläne aufgenommen wird.
Auch die aktuelle Generation von LSBTIQ*-Seniorinnen und -Senioren nehmen wir in den Blick und werden die Träger von Einrichtungen der Altenhilfe sensibilisieren, dass eine LSBTIQ*-kultursensible Pflege und Betreuung zum Standard wird.
Wir wissen aber auch: Alt ist man nicht erst, wenn man pflege- und betreuungsbedürftig ist. Wir werden auch die queere Seniorinnen- und Senioren-Arbeit inklusive Freizeitangeboten fördern und Beratungsstellen unterstützen. Wo es gewünscht ist, gilt es auch generationenübergreifenden Austausch, etwa bei queeren Wohnprojekten in Mehrgenerationenhäusern, zu unterstützen.“


Nordrhein-Westfalen ein Land der vielfältigen Kultur
„Unternehmen treffen ihre Standortentscheidungen heute unter anderem auch danach, wie eine Stadt oder eine Region „Diversity“ lebt. Moderne und erfolgreiche Unternehmen haben längst erkannt, dass eine offene Unternehmenskultur und ein diskriminierungsfreies Arbeitsfeld wichtige Chancen eröffnen, um im Wettkampf um die besten Talente zu bestehen. Diese Unternehmenskultur wollen wir unterstützen, indem wir das aktive Diversity-Management durch regelmäßige Workshops und die Unterstützung von inner- und überbetrieblichen LGBTIQ*-Netzwerken sowie Zusammenschlüsse anderer von Diskriminierung betroffenen Gruppen fördern, um bestehende Vorbehalte sichtbar abzubauen und Diskriminierung zu bekämpfen.“


CSDs fördern Akzeptanz und Sichtbarkeit
„Die CSD Straßen- und Kulturfeste sind bunt. Durch eine strukturelle und finanzielle Sockelförderung wollen wir die CSD Feste nicht nur in Köln, sondern im ganzen Land ermöglichen. Nicht nur den CSD, sondern die Vielfältigkeit des queeren Lebens in Nordrhein-Westfalen wollen wir durch die Zusammenarbeit zwischen den LSBTIQ*-Netzwerken und dem Tourismus NRW e.V. sichtbarer machen. Nordrhein-Westfalen soll so eine bevorzugte Destination der LSBTQ*-Community werden.“


Zudem will sich die SPD für ein queere Kulturfestival einsetzen:
„Um auch LSBTIQ*-Kultur hinreichend zu würdigen, wollen wir ein jährliches Kulturfestival von nationaler Bedeutung in Anlehnung an die Hirschfeld-Tage etablieren.“

 


Bündnis 90/Die Grünen (GRÜNE)

Die Grünen setzen in ihrem Wahlprogramm in gleich fünf großen Politikbereichen queerpolitische Schwerpunkte.


Gesundheit und Pflege:
„Gute und bezahlbare Pflege mit besseren Arbeitsbedingungen:
Selbstbestimmt leben und dennoch gut versorgt sein – das wünschen sich viele Menschen im Alter. Pflege muss die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention erfüllen, kultur- und LSBTIQ*-sensibel (LSBTIQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*-, inter*- und queere Menschen) ausgerichtet sein. Das Angebot ist aber vielfach noch geprägt durch Großheime. Anstatt sie weiter auszubauen, setzen wir auf Alternativen wie Wohn- und Hausgemeinschaften mit einem umfassenden Pflegeangebot und neuen Versorgungsformen im Quartier. Über den Ausbau ambulanter Pflege sowie der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege und Angebote wie Quartierstützpunkte oder Nachbarschaftszentren sichern wir Pflege rund um die Uhr ab. So entlasten wir auch pflegende Angehörige, die noch immer den Großteil der Pflege und Unterstützung erbringen.“


Selbstbestimmung und Gleichstellung:
„Queeres Leben in NRW – selbstbestimmt und diskriminierungsfrei:
Wir streiten seit unserer Gründung dafür, dass Lesben, Schwule, bisexuelle, trans*, inter*, nicht binäre und queere Menschen (LSBTIQ*) mit und ohne Fluchtgeschichte in NRW selbstbestimmt, ohne Ausgrenzung und Angst leben können. Vielfalt ist gelebter Alltag in unserem Land und die vielen CSDs und Pride-Demonstrationen haben längst einen festen Platz in unserer Gesellschaft. Trotzdem gehören Ausgrenzung und Diskriminierung für viele queere Menschen zu ihren alltäglichen Erfahrungen. Deshalb werden wir Betroffenen und Verbänden das Recht geben, rechtlich gegen Diskriminierung vorzugehen. Das schreiben wir in einem Landesantidiskriminierungsgesetz fest. Wir stärken queeres Leben und die Vielfalt unserer Zivilgesellschaft, indem wir den „Aktionsplan für queeres Leben“ weiterentwickeln und konsequent umsetzen. Er sorgt für Gleichstellung durch Aufklärung, Bildung und Schutz, soll in allen Ministerien umgesetzt und als Querschnittsaufgabe dauerhaft verankert werden. Wir bauen das Angebot von niedrigschwelliger und intersektionaler Beratung, Koordination, Kinder- und Jugendarbeit, Senior*innenarbeit, psychosozialer Beratung und Selbsthilfegruppen aus und stärken es. Insbesondere auch jenseits der großen Städte wollen wir Angebote schaffen und bestehende finanziell absichern. Wir unterstützen das vielfältige zivilgesellschaftliche Engagement der queeren Community und werden es auch langfristig finanziell besser unterstützen. Außerdem legen wir ein wirksames Konzept für die Bekämpfung von Hasskriminalität vor. Dazu gehören fachlich qualifizierte und lokal verankerte Kontaktstellen für LSBTIQ*, die Opfer von Hasskriminalität und Gewalt geworden sind, und verpflichtende Fortbildungen in der Polizei zur Sensibilisierung zu LSBTIQ*-Themen und Hassverbrechen. Die Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung queerer Menschen in unserem Land werden wir aufarbeiten, Opfer entschädigen und Orte der Erinnerung schaffen.“


Menschenrechte:
„Integration von Anfang an ermöglichen und sichere Bleibeperspektiven schaffen:
Wir setzen uns beim Bund dafür ein, dass Abschiebehindernisse gewahrt bleiben und besonders zu schützende Personengruppen wie Sinti*zze und Rom*nja, LSBTIQ* und wegen Gewalt gefährdete Frauen vor einer Abschiebung in Unrechtsregime und Kriegsregionen bewahrt werden.“
- Rechtsstaat:
„Einfach an das Recht kommen:
Mit Aktionstagen und Fortbildungen sensibilisieren wir alle Mitarbeitenden in der Justiz für Vielfaltsthemen wie Migration, Religion, Behinderung, Gender und LSBTIQ*, um individuelle und strukturelle Barrieren abzubauen und um zukünftig untereinander und im Umgang mit Bürger*innen möglichst diskriminierungsfrei zu agieren.“

 

Europa:
„NRW: Hafen für Menschenrechte und Teil der Einen Welt:
Wir leben in einem funktionierenden Rechtsstaat, dessen Aufgabe es ist, die Rechte seiner Bürger*innen zu schützen. Was für uns so selbstverständlich klingt, ist es für viele Journalist*innen, Abgeordnete, Wissenschaftler*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, Frauen, LSBTIQ*, Menschen mit Behinderung, Angehörige von Minderheiten in vielen Ländern dieser Erde nicht. Sie werden von Unrechtsregimen als Regimegegnerinnen und -gegner angesehen und wegen ihrer Arbeit oder lediglich aufgrund ihres Glaubens, ihres Aussehens oder ihrer Orientierung im eigenen Staat unterdrückt, bekämpft, verfolgt. Wir wollen diesen Menschen in NRW einen sicheren Hafen bieten, in dem sie ihre Arbeit fortsetzen können und vor Repressalien geschützt sind.“

 


Freie Demokratische Partei (FDP)

Die FDP, die in der aktuellen Landesregierung den Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration stellt, verweist in ihrem Wahlprogramm stark auf die queerpolitischen Aktivitäten in der zurückliegenden Legislaturperiode.


„Toleranz und Vielfalt in der Schule stärken:
Ausgrenzung, Intoleranz und Hass dürfen keinen Platz in den nordrhein-westfälischen Schulen haben. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass diese Themen nicht nur an besonderen Aktionstagen aufgearbeitet werden, sondern als dauerhaftes Konzept bereits von der Grundschule an im Unterricht verankert sind. Dabei muss auch die Schulsozialarbeit vor Ort in die Konzepte integriert werden.“


„Gleichstellungspolitik für alle Geschlechter machen:
Wir gestalten eine neue Gleichstellungspolitik für alle. Dort, wo Benachteiligungen vorliegen, wollen wir politisch agieren, unabhängig, ob es sich um eine Benachteiligung von Frauen, Männern oder diversen Personen handelt. Wir unterscheiden dabei nicht, welches Geschlecht benachteiligt wird, sondern wenden uns gegen die Benachteiligung an sich, ungeachtet dessen, wen es trifft. Es gilt, die im Einzelfall Benachteiligten oder Schwächeren zu schützen. Das Landesgleichstellungsgesetz muss daher zu einem Landesdiversitätsgesetz weiterentwickelt und den heutigen Lebensverhältnissen angepasst werden. Im Rahmen der Neufassung werden wir klarstellen, dass unter Gleichstellung die Gewährleistung von Gleichberechtigung für alle Geschlechter zu verstehen ist. Das Landesdiversitätsgesetz wird deshalb unter anderem auch die Belange von Männern und Diversen aufnehmen und sie als Bewerbende für das Amt des/der Diversitätsbeauftragten zulassen. Wir wollen zudem die bisherige starre Quotenregelung durch verbindliche Selbstverpflichtungen hinsichtlich der Diversität innerhalb der Organisation ersetzen, ohne dabei bei Personalauswahlverfahren das Leistungsprinzip außer Kraft zu setzen.“


„Vielfalt durch Diversity Management als Chance nutzen:
Personelle und kulturelle Vielfalt in Unternehmen ist ein Erfolgsfaktor. Setzen Unternehmen auf Akzeptanz, freie Entfaltung und Chancengerechtigkeit zwischen ihren Mitarbeitenden, kann dies zu einem produktiveren Miteinander führen. Wir wollen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen über die von uns eingerichtete Netzwerkstelle „UNTERNEHMEN VIELFALT“ bei der Planung und Umsetzung von Diversity-Management-Maßnahmen beraten, damit Chancen der Vielfalt in Nordrhein-Westfalen noch stärker genutzt werden.“


„Aktiv gegen Diskriminierung und Rassismus vorgehen:
Für uns ist klar: Für Rassismus und Diskriminierung ist in unserem Land kein Platz. Wir stellen uns gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung. Wir wollen die Förderung von Projekten weiter ausbauen, die aktiv gegen Diskriminierung jeder Art vorgehen, beispielsweise von LSBTIQ*. Dazu zählen unter anderem Aufklärungs- und Toleranzprojekte in Schulen und Jugendarbeit, aber auch Projekte für Senioren durch Peer-to-peer-Beratung. Insbesondere diese Altersgruppe war noch von der Unterdrückung und Verfolgung unter dem alten § 175 StGB betroffen und benötigt in Folge von Geheimhaltung ihrer sexuellen Orientierung oder traumatischer Erfahrungen aufgrund von sozialer Isolation oftmals Unterstützung. Wir setzen uns für eine LSBTIQ*-sensible Altenpflege in Anlehnung an die kultursensible Altenpflege und regional verteilte, strukturell verankerte Piloteinrichtungen ein.“


„Sichtbarkeit und Respekt für LSBTIQ*:
Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität treten wir entschieden entgegen. Wir setzen uns seit Jahren für die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung von LSBTIQ*, für Sichtbarkeit und Respekt sowie für den konsequenten Abbau von Diskriminierung und Gewalt ein. Wir haben darum die Haushaltsmittel für LSBTIQ*-Politik auf ein Rekordniveau angehoben. Wir haben unter anderem psychosoziale Beratungsangebote deutlich ausgebaut, um ihre wichtige Aufklärungs- und Beratungsarbeit zu unterstützen. Zukünftig werden wir vor allem im ländlichen Raum die Beratung ausbauen und hier vermehrt Projekte fördern. Wir werden die Förderung von Selbsthilfe und Beratung sowie der Koordinierungsstelle Trans fortführen und weiterentwickeln. Wir wollen zudem die Haushaltsmittelförderung für die Träger von der Projekt- in eine dauerhafte Strukturmittelförderung überführen, damit deren Arbeit nachhaltig gesichert wird.
Trotz des jahrelangen Einsatzes für gleichberechtigtes und respektvolles Miteinander ist die Lage für LSBTIQ*-Menschen nach wie vor nicht zufriedenstellend. Diskriminierung und Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität prägen nach wie vor die Lebensrealität von LSBTIQ*-Menschen. Sicherheitsbehörden, polizeiliche Ermittlungsdienste und Justiz wollen wir deswegen im Rahmen von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für die Erkennung und Verfolgung homo- und transfeindlich motivierter Hasskriminalität besonders sensibilisieren. Wir wollen dafür sorgen, dass Straftaten aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Orientierung entsprechend benannt sowie zeitnah verfolgt und angeklagt werden.
Wir wollen darum den eingeschlagenen Weg fortsetzen und uns für die vollständige Gleichstellung von LSBTIQ*-Personen und Regenbogenfamilien einsetzen. Die entsprechenden Ziele der neuen Bundesregierung, unter anderem den Gruppenausschluss bei der Blutspende zu beenden, unterstützen wir dabei. LSBTIQ*-Feindlichkeit und -Stigmatisierung wollen wir konsequent entgegentreten, beispielsweise durch Beiträge zur Aufdeckung und Widerlegung von Verschwörungstheorien und eine stärkere Aufklärungsarbeit in der Schule, für die das Lehrpersonal weiter qualifiziert werden soll.“


„Vergangenes Unrecht an LSBTIQ*-Personen anerkennen, zukünftiges Unrecht verhindern:
Wir haben die Wanderausstellung zur historischen Aufarbeitung des damaligen § 175 Strafgesetzbuch (StGB), der jahrzehntelang Grundlage für die Unterdrückung und Verfolgung von LSBTIQ*-Personen gewesen ist, aktiv und finanziell unterstützt. In seiner Funktion als stellvertretender Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hat Dr. Joachim Stamp die Opfer dieser Verfolgung öffentlich um Vergebung gebeten. Erfahrenes Leid und Unrecht, das auch über den damaligen §175 StGB hinausging, darf nicht in Vergessenheit geraten, auch damit in Zukunft der Schutz vor Übergriffen und ein respektvoller und toleranter Umgang Normalität wird. Deshalb werden wir weiterhin Projekte zur historischen Aufarbeitung fördern und unterstützen das Ziel der neuen Bundesregierung, das Merkmal „sexuelle Identität“ in Art. 3 (3) GG aufzunehmen.
Der Landtagsbeschluss zum Verbot medizinisch nicht gebotener Geschlechtsangleichungen war ein Meilenstein für den Schutz intergeschlechtlicher Menschen. Über das bundesweit einmalige Portal inter-nrw.de haben wir darüber hinaus das Informations- und Beratungsangebot deutlich gestärkt und wollen die Strukturen für intergeschlechtliche Menschen weiter ausbauen. Die Absicht der neuen Bundesregierung, das Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen, unterstützen wir ausdrücklich.“

 


DIE LINKE

Im Wahlprogramm der Partei DIE LINKE beschreibt in ihrem Wahlprogramm in welchen Politikbereichen sie queerpolitische Schwerpunkte setzen möchte und was darf zu tun ist.


„Sexuelle Vielfalt zum Unterrichtsinhalt machen:
Der Sexualkundeunterricht soll Schüler:innen über Sexualität aufklären und ihnen einen geschützten Raum zur Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität bieten. Der aktuell angebotene Sexualkundeunterricht ist allerdings veraltet und hält am heteronormativen Verständnis von Sexualität bzw. Sex fest. Queere Menschen werden hier bereits in der Schule diskriminiert. Die Richtlinien des Landes NRW zur Sexualerziehung müssen von diskriminierenden und heteronormativen Vorstellungen befreit und verbindliche Fortbildungen zur Sexualpädagogik ausgebaut werden. Wir fordern, dass im Sexualkundeunterricht über Queer Sex und Safer Sex aufgeklärt wird.
Geschichtsunterricht soll Schüler:innen die Kompetenz vermitteln, das aktuelle Weltgeschehen zu verstehen und sich ein eigenständiges Urteil darüber bilden zu können. Die Geschichte der Diskriminierung queerer Menschen reicht weit zurück und auch heute werden queere Menschen Opfer von Anfeindungen. Schüler:innen sollen sich im Geschichtsunterricht verbindlich mit der Geschichte queerer Menschen und Queerfeindlichkeit in NRW auseinandersetzen. Nur so ist ein Bewusstsein für diese weitreichende Diskriminierungsform möglich.
Was tun?
− Richtlinien des Landes NRW zur Sexualerziehung von diskriminierenden und heteronormativen Vorstellungen befreien
− Verbindliche Fortbildungen zur Sexualpädagogik ausbauen
− Aufklärung über Queer Sex und Safer Sex im Sexualkundeunterricht
− Geschichte queerer Menschen und von Queerfeindlichkeit zum festen Bestandteil des Geschichtsunterrichts in NRW machen
− Projekt „Schule der Vielfalt“ deutlich ausbauen“


„Gleichstellung und Akzeptanz aller Lebensweisen erreichen, Emanzipation fördern:
Politische Hetze und zunehmende Gewalt gegen queere Menschen zeigen, dass die erreichten Fortschritte im Kampf für Selbstbestimmung und Emanzipation fragil und gefährdet sind. DIE LINKE NRW stellt sich Trans- und Homosexuellenfeindlichkeit entschieden entgegen. Wir wissen: Der Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung ist Teil der sozialen Frage. Es war und ist die politische Linke, die seit über einem Jahrhundert für Emanzipation, für eine fortschrittliche Sexualpolitik und für gleiche Rechte für alle Menschen kämpft.
Durch die Coronapandemie waren zahlreiche Orte queeren Lebens lange nicht zugänglich, viele queere Projekte und Unternehmen bangen nach wie vor um ihre finanzielle Existenz. Es ist mehr als je zuvor deutlich geworden, wie wichtig Schutze zuvor deutlich geworden, wie wichtig Schutz-- und Freiräume für queere Menschen sind und wie und Freiräume für queere Menschen sind und wie wenig sie auf staatliche Hilfen oder gar auf einen queeren Rettungsschirm setzen konnten.
Besonders dramatisch hat sich die Situation für queere Menschen ohne deutschen Pass entwickelt, die im Zuge der Pandemie ihre Verdienstmöglichkeiten verloren haben, im Coming-out-Prozess oder aufgrund der gesetzlichen Regelungen von ihren Wahlfamilien abgeschnitten waren.
Es gilt, die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung unterschiedlicher Lebensweisen sowie sexueller und geschlechtlicher Identitäten im gesellschaftlichen Bewusstsein und in der Praxis der Institutionen zu verankern. Dazu gehört insbesondere eine offene und diskriminierungsfreie Sexualerziehung, Menschen in ihren Selbstfindungsprozessen zu unterstützen und ein gesellschaftliches Klima zu erzeugen, in dem Diskriminierungen möglichst gar nicht mehr auftreten. Gleichwohl muss auch mit klaren gesetzlichen Regelungen, unter anderem mit einem Landesantidiskriminierungsgesetz, deutlich gemacht werden, dass allen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschieden entgegengetreten werden muss.
Was tun?
− Bereitstellung finanzieller Mittel für einen queeren Rettungsschirm, der pandemiebedingte Einnahmeausfälle bei queeren Vereinen, Verbänden und Institutionen vollständig ausgleicht
− Strukturelle Förderung der queeren Selbstorganisationen in NRW verstetigen und ausbauen
− Fortschreibung und Ausfinanzierung des „Aktionsplans für queeres Leben in NRW“ inklusive einer die breite Öffentlichkeit ansprechenden Sichtbarkeits- und Akzeptanzkampagne
− Einführung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes sowie von Beratungsstellen in den Kommunen, die Betroffene antiqueerer Diskriminierung sowie von Hasskriminalität und Gewalt unterstützen, explizit auch mit kostenloser Rechtsberatung
− Ausbau landesfinanzierter regionaler Beratungsstellen, insbesondere für trans* und inter* sowie Auf- und Ausbau von Angeboten für queere Jugendliche und queere ältere Menschen, insbesondere im ländlichen Raum
− Bildungsplan für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, zu queerer Geschichte sowie gegen Queerfeindlichkeit in NRW verabschieden und das Projekt „Schule der Vielfalt“ deutlich ausbauen
− Richtlinien des Landes zur Sexualerziehung von diskriminierenden und heteronormativen Vorstellungen befreien und verbindliche Fortbildungen zur Sexualpädagogik ausbauen
− Das Projekt SCHLAU NRW (Schwul lesbische Aufklärung NRW) für alle Kreise und kreisfreien Städte in NRW ohne einen notwendigen kommunal en Förderanteil oder Eigenanteile ausfinanzieren
− Umfassende Aufarbeitung der Emanzipations- und Verfolgungsgeschichte(n) queerer Menschen in NRW und eine angemessene Berücksichtigung in der Bildungs-, Gedenk sowie der Ausstellungspolitik des Landes NRW
− Aufbau eines interdisziplinären Instituts zur Erforschung queerer Lebenswelten an einer nordrhein-westfälischen Universität, verbunden mit dem Aufbau eines entsprechenden Archivs− Zuschuss des Landes NRW an die ARCUS-Stiftung als Teil der kollektiven Entschädigung für die Diskriminierung und Verfolgung queerer Lebensweisen
− Arbeitsplätze ohne Diskriminierung als Kriterium für die Vergabe öffentlicher Mittel
− Ausreichende und unabhängige Beratungsangebote für Erziehungsberechtigte intersexueller Kinder, um verfrühte operative Eingriffe bzw. hormonelle Medikationen und damit einhergehende Traumatisierungen zu verhindern
- Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen an die Staatskanzlei anbinden und damit Queerpolitik als Querschnittsaufgabe wahrnehmen
− Tatsächliche, realistische Erfassung queerfeindlicher Straftaten in der Kriminalstatistik
− Ausbau von Anlaufstellen für queere Geflüchtete, zur Bekämpfung von Rassismus innerhalb der Community und zur Integrationsarbeit“


Zudem will DIE LINKE im Bereich der Kulturpolitik „interkulturelle Projekte sowie FLINT- und QUEER-affine Angeboten“ fördern.


Volt Deutschland (Volt)

Im Wahlprogramm von Volt finden sich an drei Stellen queerpolitische Akzente.


„Gleichstellung der Geschlechter:
LGBTQIA+
• Wir wollen die LGBTQIA+-Schulaufklärung für alle Schüler*innen der Sekundarstufe I in Kooperation mit den Trägerschaften weiterentwickeln und hierfür eine landesweite Koordinationsstelle einrichten.
• Wir fordern mehrgeschlechtliche Toiletten in allen öffentlichen Gebäuden. Öffentliche Toiletten sollen darüber hinaus mit separaten, allen Eltern zugänglichen Wickeltischen ausgestattet sein und über kostenlose Hygieneartikel verfügen.
• Wir möchten uns dafür einsetzen, dass muslimische Menschen aus der LGBTQIA+-Community hier Anerkennung finden, auch wenn sie nicht geoutet sind. Dafür wollen wir für ihre Situation sensibilisieren.“


„Die Europäische Union vor Ort:
Besserer Umgang mit Geflüchteten
• Es sollen gesonderte Unterbringungsmöglichkeiten für besonders vulnerable Gruppen, wie zum Beispiel Frauenunterkünfte oder Unterkünfte für LGBTQIA+ Personen, weiter ausgebaut werden.“


„Plurale Gesellschaft:
Intersektionalität in der Gewaltprävention
• Mehrfachdiskriminierung und Intersektionalität betrifft insbesondere Menschen mit internationaler Geschichte. Um der komplexen Lebenswirklichkeit gerecht zu werden, fordern wir eine Aufklärung und Auseinandersetzung mit intersektionaler Gewaltprävention in Bildungseinrichtungen. Diskriminierung und Gewalt jeglicher Art – sei es im öffentlichen, privaten oder digitalen Raum – wollen wir entschlossen entgegentreten.
• Volt NRW setzt sich für einen erweiterten Schutz von BIPoC, LGBTQIA+, Menschen mit Behinderung und anderen marginalisierten Gruppen ein. Dazu zählt der Schutz vor Diskriminierung und Gewalt jeglicher Art, jedoch insbesondere von öffentlichen Stellen und im digitalen Raum.
• Hasskriminalität wollen wir durch einen verstärkten polizeilichen Fokus bekämpfen und Antidiskriminierungsprojekte unterstützen. Bei der Gestaltung derartiger Projekte sollen verstärkt Frauen und LGBTQIA+ mit internationaler Geschichte einbezogen werden.“


Die Wahlprogramme der Parteien sind auf deren Internetseiten abrufbar.

 

Zusammenstellung: Oliver Erdmann