Keine leichte Kost

Mit der einzigen Oper des ungarischen Komponisten Béla Bartók hat die neue Spielzeit im Düsseldorfer Opernhaus begonnen. Ballettchef Demis Volpi will mit seiner Inszenierung das düstere Stück mit Tänzer*innen beleben, aber „Herzog Blaubarts Burg“ ist keine „Oper für alle“.

Bild: Bogdan Taloş
Bogdan Taloş als Blaubart in der Oper "Herzog Blaubarts Burg" // Foto: Ingo Schäfer

Die Oper „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók (1881-1945) ist keine leichte Kost. Schon das Blaubart-Märchen ist der reine Horror: Der reiche, aber hässliche Ritter mit seinem blauen Bart will heiraten. Die Braut lässt sich nicht durch Gerüchte oder den blauen Bart abhalten und folgt ihm in sein Schloss. Dort wird sie auf die Probe gestellt: Blaubart gibt ihr den Schlüssel zu einer Kammer, die sie aber niemals öffnen darf. Die Neugier überwiegt und die Ehefrau findet in der Kammer die Leichen ihrer Vorgängerinnen, was wiederum ihr eigenes Todesurteil ist. Der Komponist Béla Bartók und sein Texter Béla Balázs erschaffen 1911 aus diesem Stoff eine Oper mit nur einem Akt und lediglich zwei Darsteller*innen, dafür mit sieben Kammern, die es in Blaubarts Burg zu entdecken gibt.

 

Bild: Feras Al-Husseini und Dorottya Láng
Ein Kind mit sieben blauen Luftballons steht in Demis Volpis Inszenierung für Herzog Blaubarts Schreckenskammer. Rechts: Dorottya Láng als Judith. // Foto: Ingo Schäfer

In Bartóks Oper ist es Judith, die kurz vor ihrer Heirat ihren Verlobten und ihre Eltern verlässt, um Herzog Blaubart auf seine Burg zu folgen. Dort herrscht eine undurchdringliche Dunkelheit, und die Gerüchte über das, was einen dort erwartet, sind erschreckend. Das alles hält Judith nicht davon ab, sich der Gefahr zu stellen, denn sie liebt Blaubart (warum auch immer). Sie will Licht ins Dunkel bringen und bittet Blaubart um die Schlüssel zu den sieben Kammern, um die Geheimnisse zu lüften. Hinter den Türen eins bis fünf verbergen sich die Folterkammer, die Waffenkammer, die Schatzkammer, der Zaubergarten sowie Blaubarts Ländereien. In allen Kammern verheißen Blutspuren nichts Gutes. Hinter der sechsten Tür entdeckt Judith einen See aus Tränen, bis sie schließlich hinter der letzten Tür drei ihrer Vorgängerinnen findet – weder tot noch lebendig. Als Vierte im Bunde erleidet sie das gleiche Schicksal – und Herzog Blaubart bleibt allein in seiner dunklen Burg zurück.

 

Bild: Dorottya Láng und Futaba Ishizaki
Judith (Dorottya Láng) blickt in die Schatzkammer von Herzog Blaubart (dargestellt von Futaba Ishizaki). // Foto: Ingo Schäfer

Die Düsseldorfer Symphoniker unter der musikalischen Leitung von Axel Kober steuern die beeindruckende Klangkulisse bei. In kleinerer Orchesterbesetzung nach der Bearbeitung von Eberhard Kloke (von 2019), dafür aber mit interessanten Instrumenten wie einer Kontrabassklarinette, einer Orgel oder einem Saxophon. Dorottya Láng als Judith und Bogdan Taloș als Blaubart (ganz ohne blauen Bart) begeistern mit ihren Stimmen – in ungarischer Sprache. Demis Volpi, eigentlich Chef des Balletts am Rhein, inszeniert die Kurz-Oper in einer spartenübergreifenden Produktion. Er holt vier seiner Tänzer*innen (Evan L'Hirondelle, Futaba Ishizaki, Sara Giovanelli, Mariana Dias) und einen jungen Statisten (Otto Jendrek) auf die Bühne, um choreografisch die Türen beziehungsweise das, was dahinter verborgen liegt, darzustellen. Eine schöne Idee, beschränkt sich die ursprüngliche Regieanweisung doch auf Lichtstrahlen, die aus den Türen auf die Bühne fallen sollen.

 

Bild: Sara Giovanelli
Sara Giovanelli als "Tür 4", hinter der sich Blaubarts "Verborgener Garten" befindet. // Foto: Ingo Schäfer

Das Bühnenbild von Markus Meyer bleibt über lange Strecken karg. Wie in der Burg herrscht Dunkelheit vor, der Herzog sitzt an einem Tisch vor seinem Modellbau-Schloss. Erst mit den Tänzer*innen kommt etwas Aktion auf die Bühne. Bis dann schließlich mit dem Blick hinter die sechste und die siebte Tür so einiges fürs Auge geboten wird. Ein bisschen mehr Hingucker hätte man sich auch für den ersten Teil gewünscht; die Tänzer*innen und deren tolle Kostüme (von Carola Volles) hätten ein wenig mehr in den Fokus gerückt werden können. Alles in allem aber – zumindest in der Rückbetrachtung – eine schöne Inszenierung. Doch zunächst verlässt man das Opernhaus mit gemischten Gefühlen und zahlreichen offenen Fragen.

 

Bild: Mariana Dias
"Das große Land des Blaubart" befindet sich hinter der Tür 5, dargestellt von Mariana Dias. // Foto: Ingo Schäfer

Apropos offen: In der Diskussion um den Neubau des Opernhauses in Düsseldorf macht zurzeit das Schlagwort „Oper für alle“ die Runde. Offen und zugänglich für alle, nicht nur für ein exklusives und zumeist älteres Bildungspublikum, soll die neue Oper in der Landeshauptstadt werden, so der Tenor im Rahmen der Bürgerdialoge. Auch wenn es hierbei um mehr geht als um die Auswahl der Stücke, so muss man konstatieren: Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ ist gewiss keine „Oper für alle“. Sie ist harter Tobak. Düster und undurchdringlich. Ohne eingehendes Studium des Begleitheftes erschließt sich einem nur wenig, und auch der gehetzte Fachvortrag im Rahmen der Einführung vor Beginn der Oper bringt kaum Erhellendes. Das zumeist ältere Bildungspublikum (in der Aufführung am 17.09.2021) war indes recht zufrieden und spendete wohlwollenden Applaus.

 

Weitere Aufführungen im Opernhaus Düsseldorf:
Samstag, 02.10.2021 | 19.30 - 20.30 Uhr

Weitere Infos: www.operamrhein.de

 

Text: Oliver Erdmann