Mit einer Gedenkfeier am LSBTIQ+ Erinnerungsort und einer anschließenden szenischen Lesung hat Düsseldorf erstmals der queeren Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Fortan soll in jedem Jahr am 28. Juni an die „schwärzesten Zeiten“ erinnert werden.

Es war eine Premiere: Die Mahn- und Gedenkstätte und das LSBTIQ+ Forum Düsseldorf hatten erstmals zu einem Gedenktag für die queeren Opfer des Nationalsozialismus eingeladen. Am „seltsam klassischen Denkmal“ auf der Apollowiese am Rhein, dem LSBTIQ+ Erinnerungsort Düsseldorf, wurden aus diesem Anlass Reden gehalten und Kränze niedergelegt. Mehr als 150 Menschen waren bei hochsommerlichen Temperaturen gekommen und unterstrichen so die Wichtigkeit der Veranstaltung.

Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen und zugleich stellvertretende Ministerpräsidentin, sprach ohne Redemanuskript und hob hervor, dass die Rechte der queeren Community zur DNA Europas, Deutschlands und auch Düsseldorf gehörten. Mit Blick auf die aktuellen Entscheidungen der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sagte sie, dass die NRW- Staatskanzlei zum CSD am vergangenen Wochenende selbstverständlich die Regenbogenflagge gehisst habe. Es dürfe keine Ausgrenzung geben und man dürfe nicht schweigen, wenn Queerfeindlichkeit um sich greife, so die Ministerin. Mona Neubaur bedankte sich ausdrücklich bei den anwesenden Vertreter*innen der Community, die sich „mit Herz und Haltung für unsere Erinnerungskultur stark machen“. „Lasst und gemeinsam stehen – gegen das Vergessen, gegen Diskriminierung, für eine offene Gesellschaft“, schrieb Mona Neubaur später noch bei Instagram.

Als zweite Rednerin erinnerte Petra Bosch für das LSBTIQ+ Forum Düsseldorf daran, warum es in der Landeshauptstadt einen solchen Gedenktag braucht. „Düsseldorf war unter dem Naziregime eine Stadt, in der die Verfolgung queerer Menschen beispiellos gewesen ist. Innerhalb eines Jahres – von Juni 1937 bis August 1938 – verhaftete allein die Gestapo etwa 400 Männer wegen homosexueller Handlungen“, sagte die Co-Sprecherin des Forums.
Am 28. Juni 1937 wurde Karl Carduck im Alter von 23 Jahren in Düsseldorf verhaftet und kurze Zeit später nach Paragraf 175 zu anderthalb Jahren Gefängnis verurteilt. Am selben Tag setzte die Gestapo zahlreiche seiner Freunde und Bekannten fest. Es war der Beginn einer großangelegten Aktion gegen vermeintlich homosexuelle Männer. „Darum ist dieser Tag für uns in Düsseldorf ein besonderes Datum, weshalb wir uns gemeinsam mit der Stadt und der Mahn- und Gedenkstätte entschlossen haben, den 28. Juni als den Düsseldorfer Gedenktag für die queeren Opfer des Nationalsozialismus zu etablieren und hier am Erinnerungsort würdig zu begehen“, so Petra Bosch.

Sie dankte der Landeshauptstadt Düsseldorf und der Mahn- und Gedenkstätte, namentlich Astrid Hirsch-von Borries und Dr. Bastian Fleermann, für die großartige Unterstützung und die engagierte Begleitung von Beginn an.
Es sei ein „willkommener Zufall, dass der 28. Juni auch noch für ein anderes wichtiges Datum für die queere Community“ stehe, führte Petra Bosch weiter aus. Am 28. Juni 1969 protestierte die queere Community, angeführt von schwarzen trans* Frauen und Dragqueens, in der New Yorker Christopher-Street gegen Polizeigewalt. Diese als Stonewall-Riots bekannt gewordenen Aufstände wurden zum Auslöser für die queere Emanzipationsbewegung weltweit. Die Verquickung beider Daten zeige sich gerade auch am Düsseldorfer Erinnerungsort mit seinem Denkmal, so Petra Bosch weiter. Neben der Verfolgung werde hier auch die Emanzipation der LSBTIAQ*-Community thematisiert.

Die Sprecherin dankte der Stadt für die Unterstützung zahlreicher Initiativen des Forums in den zurückliegenden Jahren und sagte: „Vielfach bekommen wir Zuspruch für unsere Forderungen. Aber: wer heute durch unsere Stadt läuft, sieht immer häufiger Regenbogenbänke, die mit Hassparolen beschmiert werden, sieht Aufkleber an Straßenmasten gegen ‚LGBT-Wahnsinn‘ und für den ‚Erhalt der natürlichen Familie‘.“ Mit einem Gedenktag wie diesem könne man „an die schwärzesten Zeiten erinnern“, „mahnen und versuchen wachzurütteln“. Aktuell brauche es „mehr Unterstützung und Solidarität für queere Menschen, mehr Aufklärung und Bildung, mehr Auseinandersetzung mit der Vergangenheit“, so Petra Bosch.
Die Vertreterinnen des Landes Nordrhein-Westfalen, der Landeshauptstadt Düsseldorf und des LSBTIQ+ Forums Düsseldorf legten anschließend Kränze im Gedenken an die Opfer nieder. Für Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller übernahm Bürgermeisterin Clara Gerlach diese Aufgabe.
Szenische Lesung „Allein im Rosa Winkel“
Auch der zwei Teil der offiziellen Gedenkveranstaltung fand reges Interesse. Im Anschluss an die Feierstunde waren die Anwesenden zu einer szenischen Lesung eingeladen, die im Beatrice-Strauss-Zentrum der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf aufgeführt wurde. Zu Beginn sprach Miriam Koch, Kulturdezernentin der Landeshauptstadt, einige persönliche Worte und versicherte der Community die weitere Unterstützung der Stadt Düsseldorf. Dann gehörte die Bühne den Jugendlichen, die sich im vergangenen November in einem Theaterworkshop des Theaterkollektivs DüsselDrama intensiv mit der Verfolgung von Homosexuellen in Düsseldorf zur Zeit des Nationalsozialismus auseinandergesetzt hatten. Das Stück „Allein im Rosa Winkel“ erntete auch dieses Mal wieder viel Applaus.

Zum Abschluss des ersten Gedenktags richtete sich Marvin Wittiber, Regisseur von „Allein im Rosa Winkel“ und künstlerischer Kopf von DüsselDrama, mit einer kämpferischen Rede an die Anwesenden. Er erinnerte daran, wie wichtig es sei, gesellschaftliche Errungenschaften und das von der queeren Community Erkämpfte zu verteidigen. Er endete mit den Worten: „Lasst uns Banden bilden! Lasst uns nicht weggucken! Lasst uns nie wieder verstummen!“
Impressionen






Text: Oliver Erdmann